Neues Leben für eine ungenutzte Kirche
Hörlitz
Hörlitz - Weit stehen die Türen der kleinen, ehemaligen katholischen Kirche in Hörlitz bei Senftenberg offen. Vom Zahn der Zeit angegriffener Putz. Eine windschiefe Treppe. Fenster mit kaputten Scheiben oder komplett vernagelt. Über einen kleinen verwilderten Park neben der Kirchen machen sich seit 1. Juli acht Frauen und Männer her, um ihn wieder ansehnlicher zu gestalten. Beschäftigt sind sie über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM).
Für die ehemalige Kirche gibt es seit Jahren keine Verwendung mehr. Anfang der 30er Jahre war sie der heiligen Barbara, der Patronin der Bergleute geweiht worden. Ein schöner Rundbau im Stil der damaligen Zeit. Vom Hauptschiff sind zwei kleine Seitenschiffe durch arkadenförmige Rundbögen abgetrennt.
Hörlitz - das war damals eine blühende kleine Gemeinde mitten im Senftenberger Kohlerevier. Heute sind die Tagebaue geschlossen, ausgekohlt und verfüllt. Und die Kirche wird seit 15 Jahren nicht mehr als sakraler Raum genutzt. Für die wenigen Katholiken, die es hier noch gibt, ist die Pfarrkirchs St. Peter und Paul in Senftenberg nur vier Kilometer entfernt.
Was aber tun mit dem denkmalgeschützten Kirchengebäude? Pfarrer Thomas Besch hatte eine Idee: Hier soll ein Begegnungszentrum entstehen. In der Gemeinde fand er interessierte und kompetente Mitstreiter, zum Beispiel Matthias Putze, der sich als Sozialpädagoge in seiner Diplomarbeit mit dem Kultur- und Begegnungszentrum Hörlitz beschäftigte und inhaltliche Nutzungsvorschläge entwarf.
Doch ehe es richtig zur Sache gehen konnte, musste das sakrale Gebäude profanisiert werden. Das geschah 1997. Dann wurde ein "Studentischer Ideenwettbewerb" in Dortmund ausgeschrieben, der erste, recht brauchbare Entwürfe brachte. Im Oktober 1998 kam es zur Gründung des "Gemeinnützigen St.-Barbara-Vereins". Und das Kolping-Bildungszentrum Berlin-Brandenburg mit Sitz in Cottbus war schnell ins Boot geholt.
Hörlitz liegt direkt am Rand der neuen Autorennstrecke "Euro Speedway Lausitzring". Jeder Fünfte ist in der Gemeinde ohne Arbeit. Die Aktivitäten an der alten Kirche sieht man mit Freude: Ein Stück "Brache" bekommt wieder Gesicht und wird für gemeinnützige Zwecke nutzbar gemacht. Dass das Projekt von den Einwohnern angenommen wird, zeigt sich in einer kleinen Begegnung am Rande: Ein Passant drückte einem der ABM-Kräfte einen Zehn-Mark-Schein in die Hand. "Da, kocht euch einen Kaffee!"
Sechs Langzeitarbeitslose über 50 Jahre - darunter zwei Frauen - dazu zwei junge Männer ohne abgeschlossene Lehre, weil ihr Betrieb während der Ausbildung dicht machte, sind mit "Entkernungs- und bauvorbereitenden Maßnahmen" beschäftigt. "Mit Ideen, Engagement und Kraft gehen sie an die Aufgabe, als wäre es ihr eigenes kleines Häuschen", kommentiert Margit Israel, Leiterin des Kolping-Bildungszentrums. Einer hatte beispielsweise sein zu Hause ungenutztes Baugerüst zur Verfügung gestellt. Andere besorgten das Installationsmaterial für ein Handwaschbecken auf der Baustellen - "schließlich will man sich ja auch mal waschen".
Langzeitarbeitslosen eine bezahlte Arbeitsmöglichkeit zu geben und sie durch praktische Arbeit möglichst wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt zu integrieren - das ist eines der Anliegen von Kolping-Bildungsarbeit. Hartmut Lauermann, verantwortlich für Projekt-Management im Kolping-Bildungszentrum, betreut die innovative Abwicklung und ist - neben anderen Aufgaben - Projektleiter. Die fachliche Begleitung hat das Kolping-Bildungszentrum von Ost-Sachsen mit Sitz in Bautzen übernommen.
Am 11. August trafen sich die Verantwortlichen zur Baubesprechung: Dachsanierung und Trockenlegung des Mauerwerks sind die vorrangigsten Aufgaben. Daneben läuft in hervorragender Zusammenarbeit mit der Gemeinde Hörlitz - Vorarbeiter Gerd Langner ist Mitglied des Gemeinderates - die Umfriedung des Grundstücks. Außerdem wird die verschlissene Außentreppe abgetragen und das Projekt gegen Vandalismus gesichert. Die Gemeinde stellte aus ungenutzten Beständen Pflaster- und Bordsteine zur Verfügung, von denen einige inzwischen fachgerecht verlegt sind.
Der endgültige Fertigstellungstermin ist nach hinten offen. Ab Mitte nächsten Jahres sollen Teile des Begegnungszentrums bereits nutzbar sein. In der Planung sind eine Außenterrasse, ein vergrößerter Küchenteil mit eventuell erweitertem Sanitärtrakt und manches andere.
Pläne für die künftige Nutzung gibt es viele: So könnte der nahe gelegene "Lausitzring" für die Bedeutung des Begegnungszentrums wichtig werden. Zur Eröffnung der Rennstrecke am 20. August rechnen deren Veranstalter bereits mit 50 000 Besuchern. Auch die nur zwei Kilometer entfernte Fachhochschule Lausitz spielt in den Überlegungen eine Rolle. Gedacht ist an ein Café, an Kino- und Theateraufführungen, Tanz- und Discoabende, Konzerte - etwa durch die Musikschule Senftenberg -, Versammlungen, Familienfeiern, Börsen, Galerien ...
Sponsoren und öffentliche sowie kirchliche Mittel ermöglichten in Hörlitz einen Anfang. Mit Engagement und Ideenreichtum scheint hier etwas für die Zukunft zu wachsen.
Klaus Schirmer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 20.08.2000