Jetzt 4 Wochen kostenfrei Tag des Herrn lesen!
Auf zwei Minuten

Fremdenhass kann anstecken

Pater Damian

Pater Damian MeyerIn letzter Zeit hören wir immer wieder von Ausschreitungen gegen Ausländer in unserem Land. Dabei handelt es sich meistens nicht um persönliche Auseinandersetzungen, um Streit mit bestimmten Menschen: Sie werden angegriffen, geschlagen, sogar bei Bombenanschlägen getötet, weil sie unerwünscht sind. Und unerwünscht, weil sie anders sind, verdächtigt werden, angeblich den Deutschen die Arbeit stehlen und so weiter. Es gibt - Gott sei Dank - auch immer wieder Protestaktionen und Demonstrationen gegen den Fremdenhass. Nun wäre es aber zu einfach, diese Ausschreitungen gegen Ausländer nur den sogenannten Rechtsradikalen anzulas-ten.

Es gibt leider zu viele Menschen in unserem Land, die innerlich gegen Ausländer, besonders gegen Asylsuchende, eingestellt sind, Und diese Einstellung kann ansteckend wirken und umschlagen in Tätlichkeiten. Wenn am Stammtisch jeder eine negative Erfahrung mit Ausländern oder auch nur eine Vermutung beiträgt, ergibt sich leicht eine gefährliche Schieflage.

Der amerikanische Schriftsteller James Thurber schildert das anschaulich in einer Fabel: Es war einmal, und sehr lange ist das noch gar nicht her, ein wunderbarer Ganter. Er war groß und stark und beschäftigte sich vorwiegend damit, für seine Frau und die Kinder zu singen. "Was für ein proprer Ganter", bemerkte jemand, der ihn singend im Hof gehen sah. Das hörte eine alte Henne, und sie erzählte es abends auf der Hühnerstange ihrem Gemahl. "Von Propaganda war da die Rede", zischelte sie. "Ich habe dem Burschen nie getraut", versetzte der Hahn, und tags darauf ging er im Hof umher und sagte jedem, der es hören wollte, der schöne Ganter sei ein höchst gefährlicher Vogel, aller Wahrscheinlichkeit nach ein Habicht im Gänserichgewand. Eine kleine braune Henne erinnerte sich, dass sie einmal von weitem beobachtet hatte, wie der Ganter im Walde mit einigen Habichten sprach. "Die führten irgendwas im Schilde", versicherte sie. Eine Ente berichtete, der Ganter habe einmal zu ihr gesagt, er glaube an gar nichts. Ein Perlhuhn erinnerte sich, einmal gesehen zu haben, wie jemand, der dem Ganter auffallend ähnelte, etwas warf, was einer Bombe auffallend ähnelte. Schließlich bewaffneten sich alle mit Stöcken und Steinen und zogen vor des Ganters Haus. Er stolzierte gerade im Vorgarten auf und ab und sang für Weib und Kinder. "Das ist er!" schrien alle. "Habichtfreund, Atheist, Bombenwerfer!" Damit fielen sie über ihn her und jagten ihn aus dem Lande.

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 35 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.08.2000

Aktuelle Empfehlung

Der TAG DES HERRN als E-Paper - Jetzt entdecken!

Aktuelle Buchtipps