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Projekt Klangschatten

Markus WimmerAm 15. August ist in Erfurt die Ausstellung "Klangschatten" eröffnet worden. In fünf mittelalterlichen Kirchen werden bis zum 3. Oktober moderne Installationen gezeigt. Anliegen der Exposition ist es, den Betrachter anzuregen, die alten Kirchenräume durch die Installationen neu wahrzunehmen, und Künstler, Kirchenvertreter, Gemeindemitglieder und Besucher miteinander ins Gespräch zu bringen (Tag des Herrn vom 6. August, Seite 15), sagen die kirchlichen Ini-tiatoren. Der Tag des Herrn sprach mit dem Kurator der Ausstellung, Markus Wimmer, der auch Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für christliche Kunst in München ist.

Frage: Wie steht es um das Verhältnis von Kirche und Kunst?

Wimmer: Bis in die 70er Jahre verstanden sich die Künstler als Avantgarde, Künstler für ein solches Projekt wie Klangschatten zu gewinnen, wäre fast undenkbar gewesen. Heute herrscht hingegen Pluralismus, der nichts mehr ausschließt. Die Künstler sind wieder sensibel geworden für außerkünstlerische Ebenen, auch für theologische und philosophische Sinnangebote. Auf Seiten der Kirche reicht das Verhältnis zur modernen Kunst von großer Offenheit bis Skepsis. Ich denke aber, da ist ein positiver Prozess im Gange.

Frage: Wie kam es zu der Erfurter Ausstellung?

Wimmer: Katholisches Forum in Thüringen und Bistum Erfurt wollten mit einem Projekt den Dialog zwischen Kirchenvertretern und Künstlern befördern und moderne Kunst in die Kirche holen. Die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst beschäftigt sich zur Zeit intensiv mit den Phänomenen und Aspekten des sakralen Raumes. Hier haben sich Interessen getroffen.

Frage: Wie kam die Auswahl der Künstler zustande?

Wimmer: Ich habe die Künstler dahingehend ausgewählt, dass sie Installationen für die konkrete Situation der fünf verschiedenen mittelalterlichen Kirchenräume schaffen, die als Ausstellung ein Ganzes ergeben. Heute suchen Künstler offene Plätze, Passagen, aber auch Kirchenräume für ihre Werke, weil ihre Arbeit davon profitiert. Die Galerie hingegen ist für viele zu einem Stück Sackgasse geworden.

Frage: Warum der Ausstellungstitel "Klangschatten"?

Wimmer: Ich habe nach einem poetischen Titel gesucht, der nicht sofort alles auflöst und erklärt. Es geht um Schatten, um die Wahrnehmung von Dingen, die sich nicht unmittelbar aufdrängen. Dem Schatten eines Klanges kann man nur für sich allein nachgehen. Auf diese Weise kann es gelingen, die eigene Körperlichkeit in den Kirchenraum einzubinden.

Frage: Welche erste Reaktionen gibt es? Stoßen Sie auf Vorbehalte?

Wimmer: In den Gemeinden der Kirchen, in denen die Ausstellung stattfindet, gibt es natürlich Vorbehalte, die nicht so schnell abgebaut sind. Andererseits sind wir auch auf große Offenheit gestoßen.

Frage: Was können Künstler und Kirchenleute / Gläubige voneinander lernen?

Wimmer: Künstler schmoren oft genauso im eigenen Saft wie Theologen. Indem sich Künstler auf Kirchenräume, auf das Überkommene, auf das Göttliche einlassen, profitieren sie für das Ganzsein ihrer Arbeiten. So eine Ausstellung kann helfen, aufeinander zuzugehen, kann helfen, über sinnliche Eindrücke und Empfindungen bezüglich der modernen Kunst und der alten Kirchenräume miteinander ins Gespräch zu kommen. Künstler arbeiten nicht bürokratisch, lassen das Unvorhergesehene zum Zuge kommen. Das Unvorhergesehene darf plötzlich hereinbrechen genauso wie das Göttliche. Dieses zuzulassen und bereit zu sein, die Dinge mit den Sinnen wahrzunehmen, kann Christen in ihrem Glauben voranbringen.

Interview: Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 35 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.08.2000

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