Monika Müller
Vorgestellt
Ganz nebenbei erzählte Monika Müller bei einem Singewochenende vor Jahren in Naundorf, wie sie Arzneimitteltransporte nach Polen zusammenstellte. Seither fällt sie mir auf. Die Chemikerin aus Radebeul bei Dresden, Jg. 40, alleinstehend, organisiert auch den Kirchengeschichtskreis der katholischen Akademiker, und wo Hilfe gebraucht wird, stößt sie oft dazu. Wach und aktiv.
Seit August 1999 ist sie Vorstandsvorsitzende des SKF, der das Frauen- und Kinderschutzhaus in Radebeul betreibt. Im März dieses Jahres ist als neue Aufgabe für den Verein die Möglichkeit betreuten Wohnens für chronisch psychisch Kranke hinzugekommen. Die besondere Liebe Monika Müllers und ein großer Teil ihres Engagements gehört dem Maximilian-Kolbe-Werk, in dem sie schon neun Jahre ehrenamtlich mitarbeitet.
Dazu gab ein Buch den Anstoß: "Wir Flüchtlingskinder" von Ursula Höntsch über Schicksale schlesischer Vertriebener. Monika Müller lernte es bei einer Lesung kennen, als sie zu DDR-Zeiten an einem Wochenende der Aktion Sühnezeichen teilnahm. Die folgende eigene Lektüre beeindruckte sie stark, war sie doch selbst als Kind mit ihren Eltern aus Schlesien ausgesiedelt worden. Die geistige Auseinandersetzung mit Leid und Unrecht und die Aussöhnung mit den polnischen Nachbarn wurden für sie zum zentralen Anliegen. Nach der Wende traf sie die Autorin erneut bei der Premiere des zweiten Bandes in Magdeburg. Einige Vereine aus den alten Bundesländern, die sich um die Aussöhnung mit Polen bemühten, stellten sich dort ebenfalls vor. Für Monika Müller wurde die Begegnung mit Elisabeth Erb zur Herausforderung. Der damaligen Geschäftsführerin des 1973 gegründeten Maximilian-Kolbe-Werkes e. V. hatten Polen gesagt: "Sie werden im Osten niemand finden, der sich für uns interessiert." Trotzdem wollte sie gerade hier ehrenamtliche Mitarbeiter für das Hilfswerk gewinnen, das sich im Dienst der Versöhnung für ehemalige KZ-Häftlinge einsetzt. Das war etwas für Monika Müller. Sie nahm im August 1991 an den Feierlichkeiten zum 50. Todestag von Pater Maximilian Kolbe in Auschwitz teil, und bald wurde sie als ehrenamtliche Mitarbeiterin in die Organisation einbezogen.
Das erste eigene Projekt wurde für sie 1992 eine Fahrt mit 42 ehemaligen polnischen Häftlingen nach Buchenwald und Mittelbau Dora bei Nordhausen. Der Besuch der Stätten, wo sie gelitten haben, ist für die Häftlinge zur Aufarbeitung der traumatischen Erlebnisse wichtig. Zu DDR-Zeiten war es zu ihrem Bedauern nicht möglich, im Lager eine Messe für ihre toten Kameraden zu feiern. Nun konnte Bischof Joachim Wanke dort mit ihnen einen Gottesdienst halten.
Die nächste Aktion war 1995 die Teilnahme von 45 polnischen ehemaligen Lagerinsassen am 50. Jahrestag der Befreiung des KZ Buchenwald. Monika Müller hatte sie im Auftrag des Maximilian-Kolbe-Werkes nach Buchenwald begleitet und anschließend beim Urlaubsaufenthalt in der Arnstädter katholischen Pfarrgemeinde und in Friedrichsroda zwei Wochen betreut. Das Gespräch untereinander und mit zahlreichen anderen Deutschen, als sie sie kennen gelernt haben, und auch die schöne Umgebung wirken auf die meisten von ihnen befreiend. Viele können zum ersten Mal von ihren schweren Erlebnissen im Lager erzählen. Die nachfolgende Generation zu Hause interessiert sich kaum für die Leiden der Eltern, erst bei der Enkel-Generation ist das anders. Über 50 Jahre nach Kriegsende leben noch etwa 25 000 ehemalige Häftlinge in Polen. Die Jüngsten sind etwa 60 Jahre alt und wurden zum Teil im Konzentrationslager geboren. Viele leiden unter haftbedingten Krankheiten, aber oft noch mehr unter ihren Erinnerungen, die im Alter immer intensiver werden. "Helfen, solange noch Zeit ist" hat sich das Hilfswerk engagierter Christen auf die Fahne geschrieben. Das geschieht durch konkrete humanitäre Hilfe, die den Alltag erleichtert, aber eben auch durch Begegnungen und Erholungsaufenthalte in Deutschland.
Seit 1997 organisiert Monika Müller jedes Jahr einen Erholungsaufenthalt für jeweils 12 KZ-Überlebende, Frauen und Männer, im Gästehaus der Elisabethschwestern in Goppeln bei Dresden und betreut diese Gruppe. Von dort aus brechen sie zu Ausflügen in die Sächsische Schweiz oder nach Dresden auf. Aber sie sind auch gern bereit, als Zeitzeugen mit jungen Menschen zu reden. Denn sie wissen: Für die Schüler sind solche Begegnungen unendlich wichtig und haben einen anderen Stellenwert als die abstrakte Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Höhepunkt ist für die Gäste ein Empfang beim Dresdner Oberbürgermeister und beim Bischof von Dresden-Meißen, die sich dieses Zeichen der Versöhnung nicht nehmen lassen.
Zusätzlich betreut Monika Müller seit zwei Jahren in Berlin eine weitere Gruppe, die auf Einladung des Maximilian-Kolbe-Werkes einen Begegnungsaufenthalt dort verbringt. "Ich muss doch etwas Sinnvolles tun, wenn ich schon keine Arbeit mehr habe", sagt sie. Die Geschäftsführung des Hilfswerkes begrüßt ihr Engagement in den neuen Bundesländern sehr, denn je älter die ehemaligen KZ-Häftlinge werden, desto mehr schrecken sie vor überlangen Reisen zurück. Sachsen und Brandenburg sind natürlich für sie leichter erreichbar als Rhein oder Alpen. Und sie sollen sich ja wohlfühlen.
Das alles will vorbereitet und organisiert werden. Kontakte und auch Sponsoren sind zu finden, denn das Maximilian-Kolbe-Werk arbeitet ausschließlich mit Spendenmitteln. In Elisabeth Leitner hat Monika Müller eine engagierte Mitstreiterin gefunden, die etwas ganz Wichtiges einbringt: Für sie ist Polnisch die zweite Muttersprache. Sie ist manchmal die erste oder einzige, der die polnischen Gäste ihre Leidensgeschichte erzählen. Das ist oft schwer zu verkraften. Schönster Lohn für die beiden Frauen ist es, wenn die Gäste dankbar abreisen oder wie z. B. Anna H. aus Kielce schreiben: "Wir werden im Herzen niemals vergessen, was wir hier Gutes erfahren und erlebt haben." Fänden sich noch mehr solche engagierte ehrenamtliche Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, könnten noch mehr Gruppen eingeladen werden. Viele Menschen warten noch.
Kontakt:
Maximilian-Kolbe-Werk e.V. Karlstr. 40, 79104 Freiburg,Tel. (07 61) 20 03 48
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 27.08.2000