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Einfach erstmal hinschauen

Projekt Klangschatten

Installation Atemwege in St. SeveriErfurt (ep) - "Der heutige Künstler steckt in einem Dilemma", sagt Klaus Illi. "Er will einerseits, dass sein Werk von den Leuten verstanden wird. Andererseits will und muss er es auch den Fachleuten recht machen. Beides aber geht fast nicht."

Klaus Illi hat die pneumatische Installation "Atemwege" geschaffen, die derzeit im Rahmen der Ausstellung "KlangSchatten" in der Erfurter Severi-Kirche zu sehen und zu hören ist. "KlangSchatten" zeigt in fünf mittelalterlichen Kirchen moderne Kunst. (Tag des Herrn Nummern 32 und 35). "Wir Künstler sind Spezialisten geworden. Kunstwerke sind nicht selten vom Laien nicht mehr einfach zu verstehen", gesteht Illi, der in Stuttgart, Berlin und New York studiert hat, und gibt zu bedenken: "Wenn jemand Physik studiert und sich jahrelang mit speziellen physikalischen Fragen beschäftigt hat, kann man die Problematik als Laie auch nicht so leicht verstehen."

Negativ auf die Beziehung zwischen Kunst und Gesellschaft wirkten sich zudem Mechanismen des Kunstmarktes aus, denen der Künstler ausgesetzt sei und die auf ihn ständig einen Zwang zum Extremen ausübten, sagt Illi.

Hinsichtlich der Beziehung zwischen Kirche und Kunst sieht der in Ostfildern und Plochingen lebende Künstler immer noch "sehr viel Unverständnis" über die zeitgenössische Kunst auf Seiten der Hauptamtlichen in der Kirche und der Gemeindeglieder. "Die Leute haben noch nicht verstanden, dass die Künstler nicht mehr dienende Funktionen erfüllen, sondern sich autonom in ihrem Schaffen verstehen", sagt der 47-Jährige, der selbst aus einem christlichen Elternhaus kommt und schon mehrfach für Kirchen gearbeitet hat. Selbstverständlich übernehme er auch Auftragswerke, so Illi weiter. "Aber grundsätzlich bin ich mein eigener Meister."

Allerdings macht es diese Autonomie Kirchen und Kunst "schwieriger", miteinander umzugehen, räumt der Bildhauer ein. Deshalb sei zeitgenössische Kunst auch "nicht ohne Widerstände" in die Kirchen integrierbar. Dennoch macht Illi zunehmende Offenheit aus: "Ich habe bei den Leuten, die mir hier in Erfurt beim Aufbau meiner Installation geholfen haben, viel Sensibilität gefunden."

Berührungsängste bestünden im übrigen auch auf Seiten der Kunst: Es gebe Leute, die sagten: In der Kirche stelle ich nicht aus. Wer zuviel in der Kirche macht, ist schnell als "Kirchenkünstler" verschrieen, was nicht gut sei. Es gebe unter den Künstlern auch auch solche, die schon deshalb gern einmal in und für eine Kirche arbeiteten, weil ihnen dies durch die "unheimlich große Vorgeschichte kirchlicher Räume und kirchlichen Gedankengutes einen Hinzugewinn" für ihre Arbeit bringe, so Klaus Illi.

Von einem Betrachter zeitgenössischer Kunst wünscht sich Klaus Illi, "dass er sich Zeit nimmt und sich die Sachen einfach erst einmal ganz gelassen anguckt, aus dem Bauch heraus - ohne gleich intellektuell zu fragen: Was ist denn das? Und sich inspirieren lässt, um neu sehen zu können."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 36 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 03.09.2000

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