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Zum 100. Geburtstag des Schriftstellers Julius Green

Zurückgeblättert

"Ich schreibe, weil ich glaube, fürs Schreiben auf die Erde versetzt worden zu sein. Ich erfülle meine Berufung. Es ist nicht mein Verdienst, eine Berufung zu erfüllen. Ich tue es, weil ich sonst ersticken würde. Schriebe ich nicht, könnte ich nicht leben. lch habe ein großes Bedürfnis, mich oder irgend etwas auszudrücken. Das dominiert in mir. Zuweilen gelingt das, aber es geschieht nicht, um zu Ruhm zu kommen." So selbstbewusst und zugleich demütig äußerte sich Julien Green über seine Arbeit. Dabei war er von der Sorge durchdrungen, "ob sich das Schreiben eines Romans mit dem Stand der Gnade vertrage". Einen Maler oder einen Komponisten konnte er sich als Heiligen vorstellen, aber einen Romanschriftsteller nicht. Er stec-ke mit seinen "Gestalten unter einer Decke, und wenn sie sündigen, sündigt er irgendwie mit." Er hat von sich behauptet, er glaube, "wie man vor achthundert Jahren glaubte". Von einem tiefen Sündenbewusstsein durchdrungen, sehnte er sich nach Erlösung. Beichte und Absolution hat er als große Gnade und großes Glück empfunden.

Julien Greens Eltern waren aus den USA stammende Protestanten. 1900 wurde er in Paris geboren, und er hat diese Stadt bis an sein Lebensende geliebt. Aus dem amerikanischen Exil während des Zweiten Weltkriegs gibt es bewegende Zeugnisse der Liebe zu Paris.

Mit 16 Jahren trat er zum Katholizismus über und bekräftigte diese Entscheidung nach einer Zeit der Abwendung und des Suchens 1939 erneut. Neben Mauriac und Bernanos gilt Green als der wichtigste katholische Romanschriftsteller Frankreichs im 20. Jahrhundert. Immer wieder gestaltete er, wie Menschen sich in Schuld verstricken, wie sie von animalischer Gier getrieben werden und sich als in Ewigkeit Verdammte erkennen müssen. Sein dritter, 1929 veröffentlichter Roman ,,Leviathan" machte ihn weltbekannt. Wie auch in seinen anderen Büchern, von denen besonders die Romane "Adrienne Mesurat" (1927) und ,,Moira" (1960) zu nennen sind, geht es ihm hier weniger um eine spannende Handlung (dabei sind seine Bücher durchaus spannend und gut lesbar) als um genau wiedergegebene Stimmungen in der Landschaft, in einem Zimmer und um den Weg der menschlichen Seele in die Sünde. In seinem Spätwerk gibt es ein lichterfülltes, dabei nicht weniger dichtes und erregendes Buch "Bruder Franz" von 1983. Franziskus war der von ihm "stets am meisten bewunderte Mensch". In einer Mischung aus Erzählung und Biografie hat Green ein persönliches Bekenntnis zu dem großen Liebenden und Glaubenden aus Assisi abgelegt. Die Bewunderung für den Heiligen hinderte den Dichter nicht an der Genauigkeit und nicht am Hinterfragen der kirchlichen Überlieferung.

Mindestens gleich bedeutsam wie die dichterischen Werke - neben Romanen hat Green auch Theaterstücke geschrieben - sind seine Tagebücher. Green hat die persönlichen Aufzeichnungen vor der Veröffentlichung gründlich durchgearbeitet. Er breitet keine Indiskretionen über seine homoerotischen Beziehungen aus. Die Tagebücher enthalten unter anderem das ununterbrochene Gespräch seiner Seele mit Gott, die Sorgen um sein Seelenheil; sie schildern die Schönheit von Paris, erzählen von der Freundschaft mit Andre Gide und von den vielen Reisen.. Wer einen Einstieg in das Werk Julien Greens sucht, sollte mit den Tagebüchern beginnen: wo man sie aufschlägt, sind sie brillant formuliert und fesselnd. Kurz vor seinem 98. Geburtstag ist Green 1998 in Paris gestorben.

Jürgen Israel

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 36 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 03.09.2000

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