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Auf zwei Minuten

Spuren

Pater Damian

Pater Damian MeyerManchmal treffe ich einen Menschen, den ich seit vielen Jahren nicht gesehen habe und der praktisch aus meiner Gedankenwelt verschwunden ist. Wenn dieser mir dann sagt: "Sie haben mir vor vielen Jahren geholfen, nicht am Leben zu verzweifeln. Herzlichen Dank!", dann erfüllt mich diese Begegnung mit Dankbarkeit und Freude. Wenn ich aber daran denke, wie viele Menschen ich abgewiesen und vielleicht auch beleidigt habe, kommen Schuldgefühle in mir auf. Es gibt nicht wenige Menschen, die durch ein unbedachtes oder hartes Wort eines Priesters Abstand von der Kirche genommen haben und nicht mehr am kirchlichen Gemeindeleben teilnehmen.

Jeder Mensch lebt in einer Welt, die er in irgendeiner Form mitgestaltet und beeinflusst. Wie auch umgekehrt: Er ist den Einwirkungen seiner Umwelt in tausendfacher Weise ausgesetzt. Keiner ist eine autarke Insel, losgelöst von der großen Welt. Was immer er denkt und tut, es wirkt sich aus auf seine Mitmenschen, auf seine Umwelt - im Guten wie im Schlechten. Der Mensch ist ständig im Gespräch mit anderen Menschen. Wir alle leben in einem Netz von vielerlei Beziehungen, dem wir nie entrinnen können. Und dieses unauflösbare Geflecht gehört zu unserer individuellen Lebensgeschichte, wird Teil unserer Identität. Daraus ergeben sich ernsthafte Konsequenzen: "Jeder Mensch hat eine unendliche Sphäre der Verantwortung. Er bewegt sich, er redet, er blickt, und jede seiner Bewegungen, jedes seiner Worte, jeder seiner Blicke schlägt Wellen ins Geschehen der Welt. Jeder Mensch bestimmt mit all seinem Sein und Tun das Schicksal der Welt." (Martin Buber).

Eine junge Schriftstellerin spricht von den Spuren, die jeder von uns überall hinterlässt: "Wir alle hinterlassen Spuren - / im Sand, im Schnee, im Leben. / Und das Leben hinterlässt / seine Spuren in unserem Gesicht. // Spuren, / die wir hinterlassen, / können Schritte sein, / oder Schläge ins Gesicht eines anderen, / große Worte aus unserem Mund, / oder kleine Gesten der Menschlichkeit. / Doch sie bleiben zurück, als unser Zeugnis, / wenn wir längst Vergangenheit sind." (Bärbel Pacholek).

Das Matthäusevangelium hat ein Wort Jesu überliefert, das uns alle in die Verantwortung nimmt: "Ich sage euch: Über jedes unnütze Wort, das die Menschen reden, werden sie am Tag des Gerichts Rechenschaft ablegen müssen" (Mt 12,3).

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 37 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.09.2000

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