Lob der Wiederholung
Pater Damian
Ein Pfarrer war sehr beliebt in seiner Gemeinde. Der Bischof wollte ihn schon öfters versetzen, doch auf wiederholte Bitten der Gemeinde konnte er dreißig Jahre bleiben und war weiterhin sehr beliebt. Einzig eine Kritik wurde gegen ihn immer lauter. Eine Gruppe von Mitarbeitern trug nach langem Ringen ihr Anliegen vor. Sie sagten ihm: "Lieber Herr Pfarrer, Sie sind so ein guter Mensch." Der Pfarrer bemerkte gleich, dass sie ihm etwas Unangenehmes sagen wollten. "Was wollt ihr, meine Kinder?", fragte er. "Ja, Herr Pfarrer", kam zögernd von den Mitarbeitern die Antwort, "Sie haben für jeden Sonntag des Jahres ihre Predigt und wiederholen dieselben Ansprachen jedes Jahr. Wir haben sie schon mehr als dreißig Mal gehört. Könnten Sie nicht einmal eine neue Predigt vorbereiten?" - "Meine lieben Kinder," erwiderte der alte Mann, "ich sitze jede Woche stundenlang im Beichtstuhl, und ihr erzählt mir seit dreißig Jahren immer dieselben Sünden. Wenn ihr einmal eine neue Sünde erfindet, dann werde ich euch auch eine neue Predigt entwerfen."
Der Pfarrer hatte wohl keine überzeugende Entschuldigung für seine Wiederholungen, aber vielleicht wollte er sagen: Wenn ihr meine Predigten so passiv und fantasielos aufnehmt wie ihr eure Sünden beichtet, dann entdeckt ihr auch nichts Neues in meinen wiederholten Predigten!
Während der Sommermonate muss-ten die Fernsehzuschauer sich in verstärktem Maße mit Wiederholungen im Programm abfinden: "Den Film habe ich doch schon ein paar Mal gesehen!" Und doch kommt es ganz auf die Qualität des Films an, ob man sich ihn mit Genuss und Gewinn ein weiteres Mal anschauen kann. Manche Dinge langweilen, wenn sie einfach wiederholt werden. Es gibt aber auch Ereignisse, Feste, Riten, Abläufe, die einen jedes Mal anders und neu ansprechen, obwohl sie Wiederholungen sind. Wie steht es beispielsweise mit der Eucharistiefeier, die doch trotz mancher kreativer Gestaltungsmomente im Wesentlichen immer gleich "abläuft"? Wenn man sich "mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit allen Gedanken" hineingibt in diese Feier, ist sie jedes Mal ein neues Ereignis und eine unauslotbare Erfahrung: "Denn so oft ihr von diesem Brote esst und aus dem Kelch trinkt, verkündet ihr den Tod des Herrn, bis er kommt" (1 Kor 11,26). Da bin ich froh, dass die Messe im gleichen Ritus wiederholt wird. Ich denke auch an das Rosenkranzgebet, das äußerlich gesehen eine langweilige Wiederholung desselben zu sein scheint. Wer ihn aber regelmäßig betet, entdeckt immer wieder Neues und Anregendes in der Betrachtung der Geheimnisse.
Besteht unser tägliches Leben in seinem Ablauf für die meisten von uns nicht zu großen Teilen aus Wiederholungen? Jeder Tag bietet aber gerade in seinen Wiederholungen viele Chancen, ihn kreativ und fantasievoll zu gestalten.
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.09.2000