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Aus der Region

Sanierung der alten Fenster im Erfurter Dom

Glasprojekt 2000

Die heilige AgnesSie gehören zum Kostbarsten, was es in diesem Genre an mittelalterlichem Kunstgut gibt: Die 13 Glasfenster im Hohen Chor des Erfurter Domes. Besonders schön sind die farbigen 18 Meter hohen Fenster, wenn am Morgen Sonnenlicht den gotischen Chorraum durchflutet. Mit ihren zahlreichen Szenen erzählen die Fenster von der Erschaffung des Menschen und von den alttestamentlichen Patriarchen Abraham, Jakob und Josef. Sie widmen sich dem Leben der Gottesmutter Maria und dem Wirken, Leiden und Sterben ihres Sohnes Jesus Christus. Sie berichten von den Aposteln und ihrem Lebenseinsatz für das Evangelium und stellen Leben und Martyrium verschiedener Heiliger vor. Sie berichten von Bonifatius und seinen Begleitern Adolar und Eoban, die den Glauben nach Thüringen brachten.

Doch so schön diese Fenster bis heute sind, so sehr stellen die Kunstwerke die Verantwortlichen von Domkapitel und Dombauamt vor große konservatorische Aufgaben. Der "Zahn der Zeit" - Sonne, Wind, Regen, Eis und Schnee, aber auch Ruß, Smog und Bakterien - haben immer an ihnen genagt und besonders im 20. Jahrhundert die kostbaren Scheiben "extrem geschädigt". Um die zu 80 Prozent noch aus den mittelalterlichen Originalscheiben bestehenden Fenster dennoch möglichst lange zu erhalten, sind ständige Sanierungsarbeiten unausweichlich.

Derzeit werden im Rahmen des "Glasprojektes 2000" das nach 1403 entstandene Tiefengrubenfenster und das um 1380 geschaffene Jacobsfenster, die beide auf der Südseite des Hohen Chores liegen, restauriert. "Wir versuchen vor allem, die Transparenz der Glasmalereien zu verbessern, die durch den stark angelagerten Wetterstein teilweise sehr gelitten hat", sagt Thomas Glaß von der Glaswerkstatt am Erfurter Dom. Zudem sind er und sein Kollege, Kunstglasermeister Matthias Jähn, damit beschäftigt, die mit so genanntem Schwarzlot eingezeichneten Konturen etwa der Gesichtspartien oder Gewandfalten zu festigen, teilweise die Verbleiung der kleinen Teilscheiben zu erneuern und zusätzliche Kupferrahmen anzubringen. Bei den Fenstern, die zu DDR-Zeiten mit Bienen- und Karnauba-Wachs konserviert wurden, müssen die Wachsschichten stabilisiert werden.

"Wir können nur sichern, was an den Fenstern noch erhalten ist", sagt Falko Bornstein, der seit 1990 die Sanierungsarbeiten als Kunsthistoriker begleitet. Der einstige Originalzustand der Fenster sei leider nicht wieder herzustellen. "Wo die Schwarzlotmalereien zum Beispiel in den Gesichtern der dargestellten Personen verloren sind, werden diese im Nachhinein nicht wieder hineinretuschiert", sagt Bornschein. "Man malt ja in einen schadhaften Rubens auch nicht hinein", so der Kunsthistoriker.

Den jetzigen Arbeiten sind seit1990 umfangreiche Untersuchungen im Rahmen eines Denkmalschutzprojektes des Bundesforschungsministeriums vorausgegangen, berichtet Kunstglasermeister Jähn. So wurde in Zusammenarbeit mit auf diesem Gebiet führenden Institutionen wie dem Fraunhofer-Institut für Silicatforschung Würzburg, der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung Berlin, dem Labor am Germanischen Nationalmuseum Nürnberg, der Fachhochschule Erfurt und Kollegen der Glasereiwerkstatt am Kölner Dom nach einer wirksamen, aber auch schonenden Methode gesucht, die gipsartige Wettersteinkruste auf der Außenseite der Fens-ter auszudünnen. Nur auszudünnen, denn eine völlige Entfernung würde die Gel-Schicht, also praktisch die Außenhaut des mittelalterlichen Glases selbst angreifen. Gemeinsam mit den hinzugezogenen Experten entschieden sich die Erfurter für eine chemische Auflösung des Wettersteins mittels einer Amoniumcarbonat-Lösung und gegen eine Entfernung per Skalpell oder mit Hilfe von Laserstrahlen. Mittels dieser Methode wird zugleich eine räumliche Tiefe der dargestellten Szenen imitiert, die möglicherweise durch Zerstörung der Rückseitenbemalung der Scheiben verlorengegangen ist. Jede einzelne Glasscheibe eines Fensters wird jedoch zunächst mikroskopisch auf Schäden untersucht. Über die Ergebnisse wird schriftlich und fotografisch penibel Buch geführt, "damit die Generationen nach uns wissen, was wir vorgefunden und was wir mit den Fenstern gemacht haben", sagt Glaß.

Problematisch am Zustand der Fenster ist nicht nur die Beschaffenheit der Wetterseite der Scheiben. Auf der Innenseite, auf der sich die Malschicht aus Schwarzlot befindet, hat sich zwischen Glas und Schwarzlot eine Korrosionsschicht gebildet, die die ursprünglich bei 600 bis 700 Grad ins Glas eingebrannte Malschicht abzulösen droht oder bereits zerstört hat. Zudem muss nicht selten die Verbleiung der einzelnen Teilscheiben repariert werden. "Wir bemühen uns, die Malschicht aus Schwarzlot mit dem Werkstoff Paraloid behutsam zu sichern. Dabei müssen wir die Korrosionsschicht unter der Malschicht mitfestigen", sagt Jähn.

Von der Wetterseite her wurden bereits zu DDR-Zeiten alle Fenster schutzverglast. "Damit sich im Zwischenraum kein Mikroklima bildet, das zu Kondenswasser an den Scheiben führt, ist der Zwischenraum mittels schmaler Luftschächte am oberen und unteren Ende der hohen Fenster belüftet", erläutert Bornschein. "Wir bemühen uns, an den alten Fenstern selbst sowenig wie möglich zu machen, um sie recht lange zu erhalten. Dennoch ist klar, dass die Fenster nur eine begrenzte Lebensdauer haben." In Frankreich hingegen würden die Scheiben mit scharfen Mitteln gereinigt, um ihre Leuchtkraft zur Wirkung zu bringen. Doch damit werden den Fenstern irreparable Schäden zugefügt, ist Bornschein überzeugt.

In Kürze werden zwei der vier Reihen, das sind 28 Scheiben des Tiefengrubenfensters fertiggestellt sein. Sie sollen im Herbst probeweise an ihrem alten Platz aufgehängt werden und können dann - vom Wetterstein befreit - wieder in ihrer annähernd alten Schönheit bewundert werden.

Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 38 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.09.2000

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