10 Jahre in den neuen Ländern
Katholische Frauengemeinschaft Deutschland
Magdeburg (dw) - "Sie hatten eine unheimliche Power, auf den ersten Blick sah man ihnen das gar nicht an", erzählt die junge Leipziger Musikerin Astrid Herrmann über die Frauen, die sie kennenlernte, als sie zum ersten Mal an einer Veranstaltung der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) teilnahm. Vom Alter her hätten diese Frauen ihre Mütter sein können, doch ihr jugendlicher Elan riss sie selbst mit, sich für Veränderungen in Kirche und Gesellschaft zu engagieren.
Astrid Herrmann war eine von über 100 Teilnehmerinnen der "Jubiläums"-Versammlung, mit der am 9. September in Magdeburg an die Gründung der kfd in Ostdeutschland erinnert wurde. Mit ihren schwungvollen Musikeinlagen riss sie ihrerseits die jungen und alten Festgäste mit, die zusammengekommen waren, um aus dem Rückblick Kraft für die Zukunft zu schöpfen.
"Den Anstoß, in der Frauenarbeit aktiv zu werden, gab mir das Katholikentreffen 1987 in Dresden", erzählte die Berlinerin Christa Scholz. Die Frauen, die im Forum drei des Katholikentreffens mitarbeiteten, hätten schon im Vorfeld monatelang sehr intensive Diskussionen geführt. Ihr Vorschlag, das Forum "Frauen in Kirche und Gesellschaft" zu nennen, sei kirchlicherseits damals abgelehnt worden. Der genehmigte Titel lautete dann: "Frauen entdecken sich in der Bibel". Einige der damaligen Forderungen seien längst Realität geworden. Beispielsweise hatten die ostdeutschen Katholikinnen die Zulassung von Ministrantinnen gefordert und waren damit auf Widerspruch unter anderem beim Berliner Weihbischof Wolfgang Weider gestoßen.
Die anfänglichen Ängste, beim Anschluss an einen großen gesamtdeutschen Verband überrollt zu werden, haben sich nach Ansicht der meisten Teilnehmerinnen nicht bestätigt. Die Gefahr, dass die kleinen ostdeutschen Gruppen im Bundesverband vergessen werden, bestehe dennoch, sagte Barbara Striegel, die Magdeburger Diözesansprecherin. "Wir haben eben doch andere Biografien, und die sollten wir immer wieder einbringen und den Verband damit bereichern." Spuren haben die ostdeutschen kfd-Frauen unter anderem in der Satzung des Verbandes hinterlassen. "Wir haben nicht alles wortwörtlich übernommen, sondern Satz für Satz diskutiert", erzählte Ingeborg Hieke aus Leipzig. Auf ihre Initiative hin gibt es im Verband jetzt beispielsweise keinen Präses mehr, sondern geistliche Leiterinnen, an den Spitzen einzelner Diözesanverbände steht keine Vorsitzende, sondern ein Leitungsteam. "Sie wissen gar nicht, wie viel Mut wir aus Ihrem Tun geschöpft haben", sagte eine Vertreterin des Kölner Diözesanverbandes den ostdeutschen Frauen. Gerade das Hinterfragen der Satzung hätte die westdeutschen Frauen zum Nachdenken gebracht und manche Verkrustung aufgebrochen. Besonders intensiv war dieser Austausch in den Erzbistümern Hamburg und Berlin, in denen sich Frauen aus Ost und West zu gemeinsamen Diözesanverbänden zusammengeschlossen haben. In den anderen Diözesen erfolgt der enge Ost-West-Kontakt insbesondere über Partnerverbände, für Magdeburg ist es die kfd in Paderborn, für Dresden-Meißen die kfd Köln und für Erfurt Fulda.
Die Bundesvorsitzende Magdalena Bogner, die in ihrem Vortrag insbesondere auf das neue kfd-Schwerpunktthema "Herausforderung Gerechtigkeit" einging, ermutigte die Mitglieder im Osten, ihre Stimme - wenn nötig auch gegen Widerstände - im Verband laut zu machen. Für die Zukunft des Verbandes sei es wichtig, zum Ausdruck zu bringen, "dass wir als Verband in der Kirche dem Auftrag gerecht werden wollen, der sich aus der Botschaft des Evangeliums für unsere Zeit ergibt." Das sei nicht immer glatt und bequem.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.09.2000