Bischof Müller in Kurmark-Kaserne
Storkow
Storkow - Bundeswehrfahrzeuge parken vor der Storkower "Fisch-Kirche", eben klettern Soldaten aus einem vorgefahrenen Ikarus-Bus. Die Mitglieder der Führungsmannschaft von Bernd Schwerdtfeger, Kommandeur der Pionierbrigade 80 "Kurmark", werden erwartet. Bischof Rudolf Müller begrüßt die rotbemützten Männer mit Handschlag. Aufstellung zum ersten Foto. "Ihr Rot, Herr Bischof, passt aber noch nicht zur Kopfbedeckung der Soldaten", bemerkt Militärbereichsdekan Heinrich Hecker.
Der Militärdekan hat das Treffen von Bischof und Bundeswehrsoldaten im nördlichsten Zipfel des Bistums Görlitz vor Monaten angeregt. In der vergangenen Woche wurde es Wirklichkeit. Bischof Müller besuchte die Kurmark-Kaserne in Storkow und zelebrierte am Nachmittag einen Feldgottesdienst für einen Teil der insgesamt rund 2300 Soldaten der Pionierbrigade 80. Vormittags hatten er und Ortspfarrer Georg Jana 15 Soldaten des Führungsstabes in die vor zwei Jahren geweihte Kirche St. Maria geladen.
Hausherr Jana erläuterte engagiert und mit viel Sachverstand die Symbolik der kleinen Kirche, deren Architektur die Gestalt eines Fisches nachbildet. Mit seinen fast meditativen Erklärungen zum farbigen Kreuzfenster bereitete der Pfarrer den Soldaten unwillkürlich einige besinnliche Minuten. Ebenso frei von Berührungsängsten wie die Soldaten der Einladung in das Gotteshaus gefolgt waren, nahm Bischof Müller die Gegeneinladung in die Kurmark-Kaserne an. Er stehe der Militärseelsorge seit jeher aufgeschlossen gegenüber. "Es ist für die Diasporakirche eine große Herausforderung, auch in solche Bereiche vorzudringen, die zu DDR-Zeiten tabu waren", sagte Müller. "Wir können Erfahrungen sammeln mit Menschen, die nicht unseres Glaubens sind." Die Kirche bringe ihren menschlichen Beitrag ein, in dem sie sich als Ansprechpartner für Soldaten mit Problemen zur Verfügung stellt. "Klar ist hier alles soldatisch, hat alles seine militärische Ordnung. Aber es geht eben auch um die menschliche Würde der Soldaten, so Müller.
Kommandeur Bernd Schwerdtfeger, der übrigens täglich mit einem Bischof zu tun hat (sein Fahrer heißt mit Nachnamen Bischof), hob die Notwendigkeit der Arbeit von Militärgeistlichen hervor. Gebraucht würden sie unter anderem bei der Angehörigenbetreuung von Soldaten, die für mehrere Wochen ihren Dienst weit weg von zu Hause tun. In den vergangenen Jahren waren hunderte Soldaten der Pionierbrigade 80 zeitweise in Ex-Jugoslawien stationiert. Ihren nächsten Einsatz im deutschen Kosovo-Sektor hat die Brigade nächstes Jahr im Mai.
"Für die Familien der jeweiligen Soldaten sind das schon erhebliche Belastungen", sagte Schwerdtfeger. Gefährdet seien besonders die jungen Ehen. Seit 1993 gibt es in der Kurmark-Kaserne einen Freizeittreff der Katholischen Arbeitsgemeinschaft Soldatenbetreuung (KAS), der seinerzeit als Pilotprojekt für das Land Brandenburg galt. Mit Unterstützung der Kommandeursfrauen werden verschiedene Freizeitangebote für Soldatenfamilien organisiert. Und nebenbei gilt der Treff als lebendiger Beitrag zur Ökumene. Die Leiterin ist evangelisch.
Die Besichtigungstour für den Bischof durch das Kasernengelände verläuft militärisch flott. Rein in den VW-Bus, raus aus dem VW-Bus. "Dort ist der Sportplatz, dort das neue Wirtschaftsgebäude, hier die Werkstätten." Thomas Greggersen, Kommandeur des Pionierbatallions 801, liefert präzise Orientierungshilfen. Geheimnisse gibt es nicht. Und so besichtigt der Bischof gepanzerte Fahrzeuge, schaut im Gras hockenden Rekruten beim Kompass-Lesen über die Schulter und tauscht sich angeregt mit den Soldaten aus. Besonders interessiert beobachtet Bischof Müller die Kameraden, die eine riesige Spezialbrücke zusammensetzen. Denen fühlt sich der Pontifex irgendwie verbunden. "Ich bin auch ein Brückenbauer", verriet er den netten Jungs. Die Zeit drängt, in wenigen Minuten soll der ökumenische Feldgottesdienst beginnen. Ein großes Kreuz aus Birkenstämmen wurde auf einer großen Wiese errichtet, davor ein Altar und jede Menge Holzbänke aufgestellt. Für wen sind nur diese vielen Sitzplätze? Gerade mal 6,6 Prozent Katholiken und 17,6 Prozent Protestanten soll es unter den Soldaten im Wehrbereich VII - das sind die neuen Bundesländer, außer Mecklenburg-Vorpommern - geben. Doch die Bänke füllen sich. Truppweise treten die Soldaten in militärischer Ordnung zum Gottesdienst an, "bewaffnen" sich mit Soldatengesangsbüchern. Ein Unteroffizier verrät: "Die Teilnahme am Gottesdienst ist Befehl. Sonst würden da nicht so viele hingehen." Bischof Müller kann' s nur recht sein. Was er zu sagen hat, ist für viele Soldatenohren gedacht. Seine zentrale Botschaft: Der Mensch im Soldaten soll nicht zu kurz kommen, seine Würde ist anzuerkennen.
Markus Tichy
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 24.09.2000