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Auf zwei Minuten

Glaube und Gebet

Pater Damian

Pater Damian MeyerIn einem Gespräch mit einem Untersuchungsgefangenen der Justizvollzugsanstalt kamen wir auf das Thema Gebet. "Hab ich schon versucht - hilft doch nichts!", meinte er lakonisch. "Ich hab' zu Gott gesagt: Gott, wenn es dich gibt, dann lass mich hier bald rauskommen." Im weiteren Gespräch ergab sich dann, dass der junge Mann mit Glaube und Kirche "nichts am Hut hatte". - "Wie kamen Sie denn auf die Idee, zu Gott zu beten?" - "Na ja, versuchen kann man es ja mal, und es kann ja auch nicht schaden."

Es steht mir nicht zu zu urteilen, ob der Mann im Herzen doch einen unausgesprochenen, nicht artikulierten, sozusagen anonymen Glauben an Gott hatte. Für das echte Gebet gilt jedenfalls: Es ist sprechender Glaube. Der Glaube - und sei es nur ein schwacher und immer wieder angefochtener Glaube - kommt zur Sprache als Wort des Dankens und Lobens und als Bitte. Das Bittgebet ist keine Medizin, kein Heilmittel unter anderen, auch kein letztes Mittel, das man anwendet, wenn alle Stricke reißen. Das bekannte Wort "Not lehrt beten" trifft eher auf Menschen zu, die eine gewisse Erfahrung mit dem Beten haben, es aber im Laufe der Zeit vernachlässigt haben. Und in Notzeiten erinnern sie sich an die frühere Praxis.

Der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho stellt die Beziehung zwischen Glaube und Gebet in einem schönen Vergleich dar: "Gibt es etwas Wichtigeres als das Gebet?", fragte der Schüler den Meister. Der Meister bat den Schüler, zu einem Busch in der Nähe zu gehen und ihm einen Zweig abzuschneiden. Lebt der Busch weiter?", fragte der Meister. "Genauso wie vorher", antwortete der Schüler. "Dann gehe hin und schneide die Wurzel ab", forderte ihn der Meister auf. "Wenn ich das tue, stirbt der Busch", sagte der Schüler. "Die Gebete sind die Zweige eines Baumes, dessen Wurzel Glaube heißt", sagte der Meister. "Es kann den Glauben ohne ein Gebet geben, aber es kann kein Gebet ohne Glauben geben."

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 40 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.10.2000

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