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Aus der Region

Christen waren nur Fremdkörper

DDR-Geschichte

Görlitz (ep) - Zum Marxismus-Leninismus à la DDR gehörte systembedingt die atheistische Weltsicht. Dies hat der Görlitzer Seelsorger Alfred Hoffmann in seiner Promotion unter dem Titel "Mit Gott einfach fertig" herausgearbeitet. "Die SED konnte - selbst wenn sie es gewollt hätte - gar nicht auf den Atheismus verzichten", sagt Hoffmann, dessen Arbeit zu Theorie und Praxis des Atheismus im Marxismus-Leninismus der DDR gerade beim Leipziger St. Benno-Verlag erschienen ist. "Denn ohne atheistischen Materialismus konnte man nicht beweisen, dass alle Entwicklung gesetzmäßig zum Kommunismus führt. Religion positiv zu akzeptieren hätte bedeutet, etwas - aus marxis-tisch-leninistischer Sicht - Unwissenschaftliches in der Gesellschaft zu zulassen, das die planmäßige Entwicklung zum Kommunismus stören könnte", so Hoffmann, der seit 1996 das Seelsorgeamt im Bistum Görlitz leitet. Hoffmann: "Selbst wenn dies subjektiv gar nicht immer so erlebt wurde, objektiv waren wir Christen Fremdkörper der DDR-Gesellschaft. Und die Jugendweihe hatte den Atheismus zum Ziel, auch wenn dies nicht im Gelöbnis stand und teilweise heruntergespielt oder gar bestritten wurde."

Die Grundfrage der Revolution war "die Machtfrage und nicht eine Idee", ergänzt Alfred Hoffmann. Deshalb mussten alle nicht kontrollierbaren Mächte beseitigt oder zumindest ins Abseits gedrängt werden. Zu diesen Mächten zählte man vor allem auch die Kirche, die gerade in Russland, wo die Revolution begonnen hatte, eng mit dem Zarenhaus verflochten gewesen war. Von Christen wurde jedoch erwartet, dass sie sich auf dem Hintergrund ihrer religiösen Überzeugung in der Gesellschaft engagieren: Gut arbeiten, kein Volkseigentum stehlen, am Wohl aller interessiert sind. Je mehr sich ein Christ aber gesellschaftlich einbrachte, um so weniger durfte er sich nach Meinung der DDR-Ideologen noch Christ nennen. Christen bauten nach marxistischem Verständnis an der künftigen religionslosen Gesellschaft mit und zogen sich damit selbst den Boden unter den Füßen weg. Denn je mehr die kommunistische Gesellschaft erreicht würde, um so mehr würde die Religion verschwinden, war man überzeugt. Diese Auffassung habe er vielfach in der Literatur gefunden, sagt der Theologe.

Die DDR-Ideologen gingen davon aus, dass die Religion irgendwann einmal gesetzmäßig aussterben werde, so Hoffmann. Bei seinen Studien habe er in dieser Hinsicht etwa Sätze gefunden wie: "Ein Christ kann kein konsequenter Erbauer des Sozialismus sein, weil er Christ ist." Christen seien letztlich immer auf der Seite des Klassenfeindes gesehen worden, weil Religion und Kapitalismus eng in Verbindung gebracht wurden, was aus der Vergangenheit he-raus auch nicht ganz unberechtigt war, so Hoffmann.

Eine eindeutige Definition des Atheismus aus marxistisch-leninistischer Sicht hat der Theologe nicht ausmachen können. "Mal wurde Atheismus verstanden im Sinne einer Weltdeutung, mal als Kampf gegen jede Religion, mal als Kampf gegen die von der Religion gestützten Verhältnisse."

Unaufhörlich und besonders in den 80-er Jahren sei mit dem Schlagwort von der "politisch moralischen Einheit" die Gemeinsamkeit im Handeln zwischen allen gesellschaftlichen Kräften in der DDR betont worden. Doch habe dies nie ernsthaft eine wenigstens anfanghafte Aufgabe des Atheismus in der marxistischen Doktrin der DDR bedeutet.

Alfred Hoffmann: Mit Gott einfach fertig: Untersuchungen zu Theorie und Praxis des Atheismus im Marxismus-Leninismus der Deutschen Demokratischen Republik;

Erschienen in der Reihe der Erfurter Theologischen Studien Band 79;

St. Benno-Verlag Leipzig 2000;

ISBN 3-7462-1361-4, Preis: 48 Mark

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 40 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.10.2000

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