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Bistum Erfurt

Mehr aufeinander eingehen erforderlich

Projekt Klangschatten

Erfurt - Am Ende des Diskussionsabends wurden Spannungen deutlich: Da baten zwei katholische Erfurter Gemeindemitglieder die Künstler des Ausstellungsprojekts "KlangSchatten", sie sollten sich bei vergleichbaren Projekten künftig mehr Zeit nehmen, mit ganz normalen Kirchenbesuchern und Touristen über ihre Installationen zu sprechen, zumal viele Menschen heute Symbolisches nicht mehr zu deuten wüssten. Die Touristenseelsorgerin und versierte Kirchenführerin auf dem Erfurter Domberg, Gemeindereferentin Cordula Hörbe, gestand ein, dass sie der Hilflosigkeit interessierter Besucher gegenüber den Installationen nur wenig erwidern konnte. Da waren es auf der anderen Seite die Künstler, die von den Betrachtern ihrer Installationen mehr Bereitschaft verlangten, ihre Kunstwerke und die Kirchenräume, in denen die Projekte stehen, auf sich wirken zu lassen. Und die sich von den Anfragen hinsichtlich der "Verstehbarkeit" ihrer Werke unverstanden und attakiert fühlten.

Kurz vor Ende des Ausstellungsprojektes "KlangSchatten" in fünf mittelalterlichen Kirchen Erfurts am 3. Oktober hatten die Initiatoren, das Katholische Forum in Erfurt und die Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst, zu einer Podiumsdiskussion unter dem Thema "Interak-tionMenschenBild&Raum" in die Erfurter Kunsthalle eingeladen. Es galt, auf theoretischer Ebene unter Fachleuten nach der Situation zwischen Kunst und kirchlichem Raum zu fragen und Resümee hinsichtlich des Ausstellungsprojektes zu ziehen. Kai Uwe Schierz von der Kunsthalle moderierte das Gespräch.

Sehr zufrieden mit dem Verlauf zeigte sich Kurator Markus Wimmer von der Gesellschaft für christliche Kunst in München. Erfurt bleibe ihm in guter Erinnerung, er wünsche sich aber, dass der Dialog zwischen Kirche und Kunst in der Region weitergehe, da es noch manchen "Beton" aufzubrechen gebe. Hubertus Staudacher vom Katholischen Forum mahnte die Bereitschaft der Betrachter der Kunstwerke an, sich darauf einzulassen, bat aber auch die Künstler, ihre Anliegen in einer Sprache und Wortwahl auszudrücken, die die Menschen verstehen können, und ihnen deutlich zu machen, "warum sie als Künstler das tun".

Für den Leipziger Künstler Käseberg ist es relativ egal, in welchem Raum er seine Werke zeigen kann. "Kunstwelt und Kirche sind für mich als Nichtchristen zwei völlig getrennte Bereiche", so Kaeseberg, der mit bürgerlichem Namen Tobias Fröbel heißt und in Leipzig lebt. Die Installationen in Kirchen oder auch anderswo betrachte er als eine gute "Toleranzübung" zwischen Menschen mit unterschiedlichen Auffassungen. Kaesebergs Ausstellungsbeitrag war in der Erfurter Barfüßerkirche zu sehen: Er hatte verschiedene aufgeschnittene Kleidungsstücke in Kunstharzkissen eingegossen, diese von unten beleuchtet und ähnlich der in der Kirche befindlichen Epitaphien auf den Boden gelegt.

Der Bonner Künstler Chris-toph Dahlhausen stellte hingegen die Chancen heraus, die moderne Kunst gerade in sakralen Räumen eröffne. Dahlhausen, der Christ ist, ließ sich nach eigenen Angaben bei seiner Installation der "13 Gläser für St. Ursula" bewusst auf den Kirchenraum ein, und dies habe funktioniert, wie ihm aus Reaktionen deutlich geworden sei. Dahlhausen hat in der Erfurter Ursulinen-Kirche an eine hohe, ziemlich kahle Kirchenwand mit Colorpapier hinterlegte unterschiedlich große Scheiben angebracht, in denen sich die farbigen drei Chorfenster sowie der übrige Kirchenraum spiegeln.

Für Lida von Mengden vom Wilhelm-Haack-Museum Ludwigshafen bieten moderne Installationen in alten Kirchen "einen Anreiz, sich intensiv mit den Glaubensinhalten und den alten Kunstwerken auseinanderzusetzen". Auch für den Erfurter Pas-toraltheologen Andreas Wollbold können Verfremdung und Interaktion durch moderne Kunstwerke in alten Kirchen zu einem neuen Sehen führen, da die christlichen Symbole in den Gotteshäusern oft gar nicht mehr wirklich wahrgenommen würden. Insofern könnten durch solche Installationen "eingefleischte Christen einschließlich des Klerus viel lernen". Auf die Frage, in wieweit eine Öffnung der Kirche für die moderne Kunst der Profanisierung noch Vorschub leiste, meinte Wollbold, es steht der Kirche vielleicht ganz gut an, niemanden auszugrenzen, sondern die Welt hereinzulassen.

Die Teilnehmer der Podiumsdiskussion stellten eine zunehmende Sakralisierung im musealen Bereich fest, während die Kirchen eher entsakralisiert würden. Frank Hiddemann vom der Evangelischen Akademie Thüringen und früherer Vorsitzender des Kunstdienstes Erfurt e.V. schlussfolgerte: "Wenn man die Kirchen resakralisieren will, muss man die Kunst in die Kirche holen."

Hiddemann erinnerte an zwei markante Beispiele, wie kirchlicherseits mit moderner Kunst umgegangen werden kann. Der Kölner evangelische Kunstpfarrer Erich Witschke habe die Kölner Trinitatiskirche zu einer Galerie gemacht. Der Kölner Jesuit Friedhelm Mennekes hingegen verstehe es, Kunst in die Liturgie des Raumes zu integrieren, um so Geschmack an der Kunst, an der Liturgie, an der Kirche zu vermitteln. Hiddemann selbst hält es für gut, durchaus Provokantes in die Kirche zu bringen, aber so, dass "das, wofür die Kirche steht, dennoch zur Geltung kommt". Im Unterschied zum Museum sei ein Kirchenraum gebaute Liturgie, der von einer Gemeinde bewohnte wird. Insofern verstehe er nicht, wie man eine Kirche wie im - wenn auch befristeten - Fall der Ausstellung "Der junge Bach" in der Erfurter Predigerkirche zum reinen Museum machen könne.

Professor Karl Schawelka von der Bauhaus-Universität Weimar fragte nach den Grenzen hinsichtlich moderner Kunst in Kirchen: Was ist möglich, was nicht? Eine eindeutige Antwort konnte nicht gegeben werden.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 40 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.10.2000

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