Wohnstätte für psychisch Behinderte eingeweiht
Guben
Guben (ks) - Nach Neuzelle und Eisenhüttenstadt ist es die dritte Einrichtung der St.-Florian-Stiftung aus Neuzelle, die nun in Guben ihrer Bestimmung übergeben werden konnte: Die Sozialtherapeutische Wohnstätte für erwachsene psychisch Behinderte. Schon vor neun Wochen sind die ersten Bewohner eingezogen. Zur offiziellen Einweihungsfeier sollten sie bereits heimisch sein. Als Bischof Rudolf Müller das Haus am 8. September, am Festtag Maria Geburt auf den Namen St. Maria weihte, hatten sie tatsächlich von ihrem neuen "zu Hause" Besitz ergriffen.
Stolz zeigt Hans-Joachim Müller sein Einzelzimmer und erzählt, dass er sich hier sehr wohlfühlt. Vorher lebte er in Forst / Lausitz, aber mit dem Alleinsein wurde er nicht mehr fertig. Von den 24 Wohnheimplätzen sind bisher 18 belegt. "Es sind Menschen, die durch unterschiedlichste persönliche Erlebnisse psychisch in ein tiefes Loch gefallen sind, aus dem sie ohne Hilfe von außen nicht mehr herauskommen", berichtet Martina Kosusch, die Leiterin des Wohnheimes.
"Manche finden keinen Tagesrhythmus mehr und sind - etwa durch einen plötzlichen Todesfall in ihrer nächsten Umgebung - so aus der Bahn geworfen, dass sie ihr bisheriges Lebensumfeld allein nicht mehr aufrechterhalten können", so ihre Erläuterung. Im Wohnheim werden sie von den Betreuern an die Alltagsrealität in einem kleinen überschaubaren Umfeld wieder herangeführt.
Ziel ist es, diese Menschen so weit wieder aufzubauen und zu unterstützen, dass sie nach ein oder zwei Jahren in ein betreutes Wohnen umziehen und dort den Tagesablauf weitestgehend wieder in eigene Regie nehmen können. Die Bewohner leben in drei Gruppen und lernen dort, ihr Leben so normal wie möglich zu gestalten. Dazu geben zwölf Mitarbeiter Hilfestellung. Sie kommen aus unterschiedlichen sozialen und medizinischen Berufen. Bisher gibt es kein einheitliches Berufsbild für Mitarbeiter in Wohnstätten für psychisch behinderte Menschen.
Bischof Müller stellte zu Beginn der Einweihungsfeier die Frage, was denn menschliche Würde ausmache. "Ganz sicher nicht das, was uns die Werbung weis machen will: Schönheit, Geist, Gesundheit, Erfolg", gab er selbst zur Antwort. "Der Mensch, von Gott geschaffen, ist ein Wesen, das lieben kann, und darin liegt seine letzte, tiefe Würde." In dem freundlichen, hellen neuen Haus erlebten die Gäste zwischen dem ganzen Feiern augenscheinlich, dass Betreuer und Bewohner füreinander da sind. Als just nach der Feierstunde ein Ventil in einer Toilette plötzlich seinen Dienst versagte und der Flur unter Wasser stand, fassten alle ohne Murren mit zu. Neben den Ehrengästen aus Stadt und Land wurden besonders herzlich die Nachbarpfarrer begrüßt: Jan Gus aus dem polnischen Gubin, und Pfarrer Domke aus der evangelischen Gemeinde.
Musikalisch umrahmt wurden die Feiern von Schülerinnen der Musikschule Guben, von Michaela Aufderbeck, einer Bewohnerin der Wohnstätte St. Marien, mit Gesang und Keyboard, und von Pfarrer Domke, der die Festgäste zum Singen animierte. "Der hat sein Leben am besten verbracht, der die meisten Menschen hat glücklich gemacht", hieß der Kanon, den er anstimmte.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.10.2000