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Bistum Magdeburg

Vor 3 Jahren Verein "Refugium" gegründet

Caritas Magdeburg

Magdeburg (dw) - Raissa lacht oft, sie macht sich gerne hübsch und geht mit Freundinnen spazieren. Die 15-Jährige aus Burkina Faso unterscheidet sich darin kaum von den gleichaltrigen deutschen Mädchen, die mit ihr zusammen in einer von der Magdeburger Arbeiterwohlfahrt betreuten Wohnung leben. Vielleicht ist sie verantwortungsbewusster als die meisten von ihnen. Mit ihrem Taschengeld geht sie sehr gewissenhaft um, und im Deutschkurs der Volkshochschule arbeitet sie äußerst fleißig mit.

"Mit Raissa gibt es eigentlich überhaupt keine Probleme", sagt Kati Pichura, die junge Frau, die für sie die Vormundschaft übernommen hat. Seit drei Jahren arbeitet sie als einzige Hauptamtliche beim Verein Refugium. Unter dem Dach der Caritas wurde dieser Verein damals gegründet, um minderjährige Flüchtlinge zu vertreten, die ohne Begleitung nach Sachsen-Anhalt gekommen sind. Für insgesamt 24 Jugendliche zwischen elf und 17 Jahren hat Kati Pichura derzeit die Vormundschaft.

Wie Raissa haben die meisten eine Menge durchgemacht, bevor sie mit Hilfe von Schleusern nach Deutschland kamen. Viele haben ihre Verwandten in Bürgerkriegen verloren. Ein junger Chinese hat keinen seiner Angehörigen wiedergefunden, nachdem sein Dorf bei einer Hochwasserkatastrophe komplett weggeschwemmt wurde. Einige Jugendliche sind von ihren Eltern weggeschickt worden, um den Lebensunterhalt der Familie zu sichern. Raissa ist nur knapp ihrer Genitalverstümmelung und Zwangsverheiratung entkommen. Ohne die Hilfe ihres Onkels, der studiert hatte und den Traditionen des Stammes kritisch gegenüberstand, hätte sie die Flucht vor über einem Jahr wahrscheinlich nicht geschafft. Von ihrer Mutter, die die zweite Frau ihres Vaters ist, und deren vier anderen Kindern hat sie seither nichts mehr gehört. Sie ist froh, wichtige Entscheidungen und Lebensfragen mit Kati Pichura besprechen zu können. Die Sozialpädagogin, die ihren Dienstsitz im Interkulturellen Zentrum der Caritas in Magdeburg hat, half ihr auch, Kontakt zu Landsleuten zu finden. Die konnten ihr Tipps zum Einleben geben und ihr ein Stück Heimatgefühl vermittelten. Illusionen hat Frau Pichura ihr dagegen nie gemacht. Raissa weiß, dass im Landkreis Magdburg der Schulbesuch nur ausländischen Flüchtlingen bis 14 Jahren erlaubt ist. Ihr Traumberuf Krankenschwester wird nicht so leicht zu erreichen sein, denn eine Ausbildung ist ihr nur in einer berufsbildenden Schule gestattet. Von ihrem 18. Geburtstag an muss sie um ihren Aufenthaltsstatus fürchten. Mit einem Asylantrag hätte sie nur dann eine Chance, wenn sie nachweisen könnte, persönlich politisch verfolgt worden zu sein.

Monika Schwenke, die beim Caritasverband des Bistums Magdeburg für Migrationsdienste zuständig ist und im Verein Refugium den Vorsitz hat, ist dankbar für die Gründungsidee: "Schon erwachsene Flüchtlinge haben es schwer bei uns, aber die minderjährigen haben wirklich überhaupt keine Lobby", bedauert sie. Auch rechtlich sei ihre Situation kompliziert, gerade für die 16- bis 18-Jährigen. Die Bundesregierung ratifizierte die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, in der der besondere staatliche Schutz Minderjähriger festgelegt wurde, 1992 nur unter dem Vorbehalt, dass das deutsche Asyl- und Ausländerrecht davon nicht berührt wird. In Asylverfahren wird 16- oder 17-jährigen Flüchtlingen deshalb zugemutet, ihre Belange selbst zu regeln. Sie werden in erster Linie als Ausländer gesehen und erst dann als schutzbedürftige Minderjährige.

Bis zur Gründung von Refugium übernahmen die Jugendämter grundsätzlich die Vormundschaften für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Wegen der komplizierten Rechtslage konnten Mitarbeiter dabei durchaus in die Lage kommen, gegen ihre eigene Behörde zu klagen. In der Regel waren die Jugendämter zudem zu überlastet, um die Interessen der Jugendlichen wirklich engagiert vertreten zu können. Auch die Jugendämter begrüßten deshalb die Gründung von Refugium und suchen die Zusammenarbeit.

Kati Pichura profitiert bei ihrer oft nicht einfachen Arbeit insbesondere von dem Beraternetz der Caritas. Unter anderem kann sie für ihre Mündel, die zumeist in Kinderheimen leben, kostenlose Rechtsberatung in Anspruch nehmen. Im interkulturellen Zentrum findet sie Berater mit verschiedenen Fremdsprachenkenntnissen, die als Dolmetscher herangezogen werden können. Nicht selten vermittelt sie auch psychologische Unterstützung, denn viele Jugendliche sind durch ihre Fluchterlebnisse traumatisiert. Eine Reihe von Flüchtlingen, die sie betreut, haben zuvor die Clearingstelle des Caritasverbandes durchlaufen, in der sich unbegleitete Minderjährige aufhalten können, bis ihre Fluchtumstände und ihr vorläufiger Aufenthaltsstatus geklärt sind.

Einige ehrenamtliche Mitarbeiter von Refugium gehen in ihrer Freizeit dort hin, um mit den Jugendlichen zu spielen, zu basteln oder sie zu Ausflügen abzuholen.

Monika Schwenke und Kati Pichura wünschen sich, dass noch mehr Menschen den Verein auf diese Weise oder durch einen Mitgliedsbeitrag unterstützen. Nähere Informationen bei Monika Schwenke, Telefon (03 91) 5 96 11 36.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 40 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 01.10.2000

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