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Bistum Dresden-Meißen

Förderkreis will Wahrzeichen nach Leipzig holen

Expo 2000

Leipzig - Noch steht er in Hannover, der Pavillon der Hoffnung. Bald aber ist die Expo zu Ende. Und wenn es nach den Wünschen von Thomas Piehler, dem Pfarrer der evangelischen Andreasgemeinde Leipzig, geht, wird der "Gläserne Wal" dann in der sächsischen Messestadt an Land gezogen und in ein ökumenisches Zentrum verwandelt.

Wo zurzeit ein Zeichentrickfilm über den verlorenen Sohn läuft und Dritte-Welt-Patenschaften vorgestellt werden, könnten dann "verschiedene christliche Initiativen" mit ihren Angeboten einziehen. So soll das Expo-Wahrzeichen, das bisher der Verein World Vision, die Evangelische Allianz in Deutschland und der Christliche Verein Junger Menschen (CVJM) gemeinsam nutzen, zu einer Begegnungsstätte werden, von der "besonders Jugendliche sich angezogen fühlen". Auch ein Restaurant, das bei jungen Leuten "ankommt", gehört zum geplanten Angebot.

Aufgestellt werden soll der Glasbau im Süden Leipzigs, auf einer Freifläche an der Karl-Liebknecht-Straße. Der gewählte Standort hat Symbolcharakter: Bis 1958 stand dort die Ruine der neugotischen Andreaskirche. Zu DDR-Zeiten sei das Gotteshaus "einfach gesprengt worden, ohne dass die Kirche das wollte", erläutert Piehler. Was den Pfarrer besonders freut: Der Pavillon würde auch von den Ausmaßen her "ideal" auf den Alexis-Schumann-Platz passen. Piehler: "Man könnte sagen, er ist dafür konstruiert worden." Mit seiner Begeisterung für dieses Gebäude "voller biblischer Symbolik" - der Wal erinnert an den Propheten Jona - steht Piehler nicht allein da: 25 Mitglieder zählt der Mitte September gegründete Förderverein "Pavillon der Hoffnung in Leipzig" bereits, darunter Dominikanerpater Franz Voith vom Kloster St. Albert. Er möchte mit dem "Gläsernen Wal" auch Menschen erreichen, "die der Kirche fern stehen". Voith zufolge gibt es nur wenige ökumenische Projekte in Leipzig, etwa das "Schaufenster Kirche" - ein Tag, an dem sich verschiedene Arbeitsbereiche der katholischen und evangelischen Kirche in der Innenstadt vorstellen. Das ökumenische Zentrum sei deshalb ein Zeichen, dass die Kirchen zusammenrückten und gemeinsam etwas auf die Beine stellten. Für die oberste der drei Etagen ist ein "flexibler Mehrzweckraum" mit bis zu achthundert Sitzplätzen angedacht. Pfarrer Piehler sieht dafür wirklichen Bedarf: Da in den vergangenen Jahren viele Familien und Jugendliche zu seiner Pfarrei hinzugekommen seien, reichten die 250 Sitzplätze im Gemeindehaus an Sonntagen oft nicht aus.

Angst, dass mit dem Wal-Pavillon ein weiteres Gotteshaus in der Stadt ungenutzt bleiben könnte, hat auch Pater Franz nicht: "Es soll keine neue Gemeinde entstehen und wir haben nicht vor einen Sondergottesdienst zu halten", stellt er den Unterschied zu einem herkömmlichen Kirchenbau heraus. Pfarrer Piehler hofft, mit dem Pavillon einen geeigneten Veranstaltungsort für Seminare, Konferenzen und christliche Konzerte zu bekommen. Seiner Meinung nach ließe sich das Gebäude immer dann nutzen, "wenn man nicht in eine Kirche gehen möchte, wo durch die Bänke alles so festgelegt ist", aber auch keinen "säkularen Raum" nehmen wolle. Für den ökumenischen Jugendgottesdienst, der in Leipzig vierteljährlich stattfindet, wäre so ein zentraler Ort ebenfalls gut geeignet, meint Piehler.

"Katholischerseits haben wir genug Räume", sagt dagegen Pfarrer Bernhard Seibt - Pfarrei St. Bonifatius - , der auch Pfarrer von St. Hedwig ist, auf deren Pfarrgebiet der Pavillon möglicherweise einmal stehen wird. "Wenn ich bedenke, dass es schon Schwierigkeiten bei der Nutzung der Lutherkirche gibt, frage ich mich, ob es gut ist, so ein großes Gebäude nach Leipzig zu holen." Erst einmal will der Geistliche das Unterfangen "mit Interesse" verfolgen. Sollte der Förderverein seine Gemeinde um Mitarbeit bitten, möchte er das Angebot prüfen und gemeinsam mit dem Bischof besprechen." Betrachtet Seibt den Expo-Wal als Konkurrenz für seine Kirche? "Nein, gar nicht", lautet die Antwort, "können denn Menschen, die das Evangelium verkünden, Konkurrenten sein?"

Ökumenisches Miteinander befürworten auch Dietmar Rieger von der Baptistengemeinde, Reverend Martin Reakes-Williams von der Leipzig English Church, Bezirksjugendwart Friedemann Beyer und der Musiker Wolfgang Lenk von der Gruppe "Die Prinzen" sowie zwei Leipziger Unternehmer. Sie gehören bereits dem Förderkreis unter Leitung von Pfarrer Piehler an. "Burgarbeit", ein christliches Werk, das sich um Jugendliche kümmert, und der um Glaubenserneuerung bemühte Verein "Senfkorn" sind ebenfalls Mitglied. Weitere Partner will Piehler demnächst in den verschiedenen Kirchen und Freikirchen hinzugewinnen.

"Prinzipiell" unterstütze auch Leipzigs Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee (SPD) diese Initiative, berichtet der Vereinsvorsitzende. "Fördergelder" seien aber "noch mal eine andere Sache". Rund zehn Millionen Mark soll das Projekt samt Umzug kosten. "Das ist kein Pappenstiel", umschreibt Piehler die damit verbundenen finanziellen Sorgen. "Wir wollen versuchen, alle Möglichkeiten anzuzapfen" - die Kassen von Bund, Land und Stadt ebenso wie die Konten privater Sponsoren.

Bares allein genügt jedoch nicht, um den "Gläsernen Wal" nach Leipzig zu holen. Zwar wünsche der Verein World Vision ausdrücklich eine "christliche Weiternutzung" des Pavillons. Diese Vorgabe erfüllen aber laut Piehler zwei oder drei Bewerber, darunter auch ein Bildungswerk in Hannover. Bis zum Ende des Jahres rechnet er mit einer Entscheidung. Vielleicht schon im nächsten Jahr, hofft der Geistliche, könnte Leipzig mit diesem "sehr aussagekräftigen" Bauwerk um einen "Hoffnungsträger" reicher sein. Das wäre auch für Pater Franz ein Grund zur Freude: "Wenn die Chance besteht, dass wir das bekommen, muss man zupacken."

Karin Hammermaier

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 42 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.10.2000

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