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Bistum Erfurt

Verpflichtet, den ökumenischen Weg fortzusetzen

Dominus Jesus

Erfurt (ep) - "Miteinander oder nebeneinander ins neue Jahrtausend?" Diese Frage ökumenisch engagierter katholischer und evangelischer Christen hat angesichts der jüngsten vatikanischen Erklärung "Dominus Iesus" besondere Brisanz. Am 9. Oktober war sie Thema einer Abendveranstaltung im Rahmen der ökumenischen "Erfurter Vorträge". Referenten waren der emeritierte Erfurter katholische Dogmatiker Lothar Ullrich und der emeritierte Leipziger evangelische Dogmatiker Ulrich Kühn.

"Wenn die evangelischen Kirchen nicht Kirchen im eigentliche Sinn sind, wie es in Nummer 17 der Erklärung ,Dominus Iesus' heißt, dann gibt es nicht einmal ein wirkliches Nebeneinander unserer Kirchen", formulierte der systematische Theologe Ulrich Kühn aus evangelischer Sicht zugespitzt. Gerade im Land der Reformation seien die jüngsten Äußerungen Kardinal Josef Ratzingers über die Kirchen besonders schmerzlich. "Angesichts des Auftrags Jesu und im Blick auf die Zeichen der Zeit" sieht der Ulrich Kühn dennoch keine Alternative zum gemeinsamen Mühen um die Einheit in versöhnter Verschiedenheit. Ziel bleibe die Abendmahlsgemeinschaft, "ein gemeinsames Konzil", vielleicht sogar "ein gemeinsamer Sprecher der Christenheit".

Beide Dogmatiker wiesen darauf hin, dass "Dominus Iesus" vor allem der Frage nach Heilswegen in den anderen, nicht christlichen Religionen und nicht in erster Linie der innerchristlichen Ökumene gewidmet ist. Bezüglich des Kapitels über das Verhältnis zwischen den Kirchen ging der evangelische Theologe auf die lange Geschichte der Spaltung und das inzwischen fast 100-jährige ökumenische Bemühen ein. Die Erklärung Ratzingers lasse bei ihren Aussagen zur innerchristlichen Ökumene die bereits gegangenen Schritte nicht erkennen, so Kühn.

Er beobachte allerdings schon seit 15 Jahren auf katholischer, auf orthodoxer, aber auch auf evangelischer Seite antiökumenische Bestrebungen von Kirchenvertretern. Besonders befremdet zeigte sich Ulrich Kühn über die in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 22. September gemachten Äußerung Ratzingers, die evangelischen Kirchen seien "zufällige historische Bildungen". Kühn: "Kann jemand sagen: Gott schreibt seine Geschichte dort oder hier. Ist Gott 400 Jahre lang (in den evangelischen Kirchen) abwesend gewesen?"

Der Leipziger Theologe bedauerte allerdings auch mancherorts praktizierte Gepflogenheiten ein, für die die evangelischen Kirchen "Buße tun" müssten. So gebe es teilweise die Praxis, dass nicht Ordinierte (Laien) evangelische Abendmahlsfeiern leiteten, was auf dem Hintergrund des aus katholischer Sicht engen Zusammenhanges von Amt (Weihe in der Nachfolge der Apostel, Fachbegriff: Sukzession) und Eucharistie ein schwerwiegendes Problem darstelle. Martin Luther habe betont, wenn kein Ordinierter da sei, sollten die Gläubigen hinsichtlich der Eucharistiefeier fasten. Kritik übte Kühn auch daran, wie mancherorts mit Leib und Blut Jesu umgegangen werde, das beim evangelischen Abendmahl übrig bleibt.

Der katholische Dogmatiker Lothar Ullrich zeigte sich ebenfalls befremdet über die einseitig zugespitzten Aussagen von "Dominus Iesus" zum Verhältnis zwischen den Kirchen. Zahlreiche deutsche und ausländische katholische Dogmatiker beurteilten diese Aussagen als "unsensibel", so Ullrich, "weil das Dokument den inzwischen zurückgelegten ökumenischen Weg vermissen lässt". Ullrich erinnerte daran, dass das Zweite Vatikanische Konzil in seinem Nachdenken über die Kirche zu einem fachsprachlich als "analog" bezeichneten Kirchenbegriff übergegangen ist. Danach gibt es Kirchen im vollen und im weniger vollen Maß. So hätten die Konzilsväter in der Dogmatischen Konstitution über die Kirche "Lumen gentium" im Blick auf die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften bewusst offen formuliert: "Die Kirche ist verwirklicht (lateinisch: subsistit) in der katholischen Kirche". In "Dominus Iesus" sei diese Formulierung übernommen, aber zusätzlich mit einem zuspitzenden "voll nur" ("dass die Kirche voll nur in der katholischen Kirche weiterbesteht") erläutert, womit "eine noch nicht totale, aber partielle Festlegung passiert" ist, die vom Konzil nicht gedeckt sei. Ullrich: "Hier fallen wir hinter bereits Erreichtes zurück."

Professor Ullrich zitierte dazu aus der Enzyklika Papst Johannes Pauls II "Ut unum sint" (Damit alle eins seien) von 1995, in der der Papst davon spricht, die Kirche habe sich mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil "unumkehrbar dazu verpflichtet", den Weg zur Einheit einzuschlagen. Ullrich: Der Papst wiederholt in seiner Enzyklika die Feststellung des Konzils, dass sich in den anderen christlichen Gemeinschaften "viele und bedeutende Elemente finden, die in der katholischen Kirche zur Fülle der Heilsmittel und Gnadengaben gehören" und die "den Hinweis auf die Einheit in sich tragen". Darüber hinaus stellt der Papst sogar fest, dass in den anderen kirchlichen Gemeinschaften "gewisse Aspekte des christlichen Geheimnisses bisweilen sogar wirkungsvoller zutage treten" als in der katholischen Kirche und kommt zu dem Ergebnis, dass der eingeschlagene ökumenische Weg unbedingt fortzusetzen ist.

Professor Ullrich, der als Theologe in nationalen und internationalen ökumenischen Gremien mitarbeitet, beklagte, es gebe inzwischen zwar viele ökumenische Dokumente, die aber alle "nicht kirchenamtlich rezipiert" (anerkannt und zur eigenen Sache gemacht) worden seien mit Ausnahme der "Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre" vom vergangenen Jahr. Diese Erklärung allerdings sei ein "nicht rückgängig zu machender Meilenstein auf dem Weg ins neue Jahrtausend".

Eine Bewertung, der sich auch sein evangelischer Kollege Kühn anschloss und an Luthers Auffassung erinnerte, die Frage der Rechtfertigung sei "der Artikel, mit dem die Kirche steht und fällt". Lothar Ullrich fasste die ökumenische Situation schließlich so zusammen: "Wir müssen miteinander gehen. Aber es wird wohl immer wieder ein Nebeneinander nötig sein, um die Schwestern und Brüder mitzunehmen."

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 42 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.10.2000

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