Erfurter Theologe Friemel hielt Festvortrag
St. Jakobus Görlitz
Görlitz (mh) - "Unser heutiger Glaube bedarf mehr als der Glaube früherer Generationen einer Abstützung und Unterfütterung." Diese Feststellung machte der emeritierte Erfurter Pastoraltheologe Franz-Georg Friemel in der Einleitung seines Festvortrags, den er im Rahmen der Festwoche zum 100-jährigen Weihejubiläum der Görlitzer St. Jakobuskirche hielt. Friemel, der Priester des Bistums Görlitz ist und in der vorhergehenden Vesper als Ehrendomkapitular in das Görlitzer Domkapitel eingeführt wurde, lieferte mit seinem Vortrag unter dem Thema "Heute glauben" Argumente für eine solche Abstützung des Glaubens.
Zunächst sprach Friemel über vier eher philosophische Zugänge zu Gott. Ausgehend von Blaise Pascal, dem Begründer der Wahrscheinlichkeitsrechnung, die dieser auch auf die Gottesfrage angewendet habe, fragte Friemel: "Ist es dumm, an Gott zu glauben? Existiert Gott oder existiert er nicht?" Die Chancen stünden eins zu eins. "Was gewinnen oder verlieren wir, wenn wir an Gott glauben?" Die Logik sage, der Glaube an Gott sei vernünftig, "denn Endliches wird eingesetzt, um Unendliches zu gewinnen".
Ein zweiter Zugang sei die Erfahrung des Menschen, dass er sich in seinem Handeln unter ein Gesetz gestellt fühle. Dieses sage ihm, was er tun und was er lassen solle. Dieses Gesetz sei aber nicht mit den Naturgesetzen vergleichbar, denn der Mensch bleibe in der Entscheidung letztlich frei. Er mache vielmehr die Erfahrung, dass es eine lenkenden Kraft gebe, "einen Geist außerhalb dessen, was wir beobachten können".
Als weiteres Argument für den Glauben führte Friemel das "Ungenügen am erlangten Besitz" an. Es stelle sich immer wieder dann ein, wenn sich der Wunsch eines Menschen erfülle, sei es der nach einem neuen Auto oder einer neuen Küche, nach Freiheit oder Liebe. Sei der Wunsch erfüllt, gehöre das Ersehnte bald zum Alltag. Für die unerfüllte Sehnsucht des Menschen müsse es aber eine Erfüllung geben. "Die Christen verwenden dafür die Chiffre Himmel."
Schließlich verwies Friemel auf den "Geschenkcharakter des Daseins". Die Werbung irre, wenn sie sage, man könne alles kaufen. "Es gibt Dinge, die nicht im Bereich der ausgestreckten Hand liegen." Friemel erinnerte in diesem Zusammenhang an die Maueröffnung 1989. Obwohl jedes einzelne Element, dass dazu beigetragen habe, auf natürliche Weise erklärt werden könne, "sprachen viele damals von einem Wunder". Friemel: Im Wunder, "im Geschenk wird aber immer einer mitgedacht, von dem es kommt". Der Mensch mache die Erfahrung, "dass da jemand fügt". Der glückliche Zufall "ist das ../../incognito des Himmels."
Nach diesen eher philosophischen Überlegungen sei für den Christen aber ein existentieller Akt notwendig, der "Sprung in den christlichen Glauben". Dieser setze eine Entscheidung voraus. Um dann diesem christlichen Glauben die notwendige Absicherung zu geben, seien Gebet, Gottesdienst und das Leben dieses Glaubens in der Gemeinschaft der Gemeinde notwendig, betonte Friemel.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.10.2000