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Aus der Region

Ein Glaubenserlebnis für Füße, Hände und Ohren

Gospel-Workshop

Keyboardklänge, leise Schlagzeugrhythmen, begleitet von dumpfen Congas und Bassgitarre: Rund 60 junge Menschen treten von einem Fuß auf den anderen, wiegen ihre Körper hin und her, klatschen in die Hände und singen: "Oh Lord, we praise you". Einige heben den rechten Arm, schwenken ihn erst zur einen, dann zur anderen Seite. Auch zwei dunkle Hände zeigen hinauf zur weißen, von braunen Holzbalken getragenen Scheunendecke. Es sind die von Sam Lovely.

Gemeinsam mit elf weiteren Gospelsängern aus der Gegend um New Or-leans ist er zu diesem Workshop ins Bischof-Benno-Haus nach Schmochtitz gekommen. Neun verschiedenen christlichen Kirchen gehören allein die amerikanischen Gäste an. Die deutschen Teilnehmer sind katholisch, evangelisch oder ohne Bekenntnis, hören gern afro-amerikanische Lieder, singen teils in Chören oder spielen Instrumente, wollen Kontakte knüpfen, Freude spüren, ihren Glauben leben oder sich einfach der Kraft bewusst werden, die in ihnen steckt, und eben Menschen mit einer ganz anderen Mentalität kennen lernen.

Gebannt blicken sie beim Singen auf Donald R. Smith. Er dirigiert den deutsch-amerikanischen Chor, macht dabei nie viele Worte, lässt lieber seine Hände sprechen, hebt und senkt sie im Rhythmus der Musik, wirft sie kurz nach vorn und greift scheinbar in unsichtbare Tasten vor ihm in der Luft, schnippt mit den Fingern, klatscht im Takt - und sogleich machen mehr als 60 andere Paar Hände mit.

Seit 32 Jahren leitet Smith den Gospelchor seiner Heimatpfarrei St. Francis de Sales, und damit den ältesten katholischen Chor in den Vereinigten Staaten, der sich auf diese vom Jazz geprägten religiösen Lieder der nordamerikanischen Schwarzen spezialisiert hat. Über eben diese Franziskusgemeinde schrieb Guido Erbrich, Jugendreferent im Bistum Dresden-Meißen und Organisator des Gospel-Workshops, 1996 seine Diplomarbeit.

Zwei Jahre später trat eine Gruppe aus New Orleans erstmals in Sachsen auf. Ein eintägiger Workshop für Jugendliche aus der Umgebung und ein gemeinsamer Sonntagsgottesdienst gehörten schon damals zum Programm. Auch die Idee für den "New Orleans Dresden-Meißen Gospel Choir" entstand bereits 1998, umgesetzt wurde sie von 21. bis 29. Oktober dieses Jahres - zum zehnjährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Junge Musik.

Vier Tage probten Chor und Band diesmal, unternahmen gemeinsame Ausflüge nach Bautzen und ins Kloster Marienstern, verbrachten die Abende redend, lachend und vor allem singend miteinander, dann war es so weit: Premiere in der Crostwitzer Pfarrkirche. Wenige Minuten vor Konzertbeginn stellen sich die gut 70 Mitwirkenden im Kreis auf, fassen sich an den Händen, blicken zu Boden oder schließen die Augen, während Betty Jessie, wohl die Einzige unter den Sängerinnen, die bereits Großmutter ist, aus der Bibel vorliest. "Yes, Lord!", "Thank you, Jesus!", "Halleluja" rufen ihre Landsleute immer wieder mitten hinein in ihr Gebet.

Gott loben und sein Wort durch die Musik verkünden, das wollen die Christen aus New Orleans mit ihren Liedern - und so vielleicht auch den einen oder anderen ein Stück näher zu ihm bringen. Die Jugendlichen spüren, wie viel persönliche Überzeugung in den lauten, fröhlichen Rhythmen steckt: "Von den Deutschen schafft das überhaupt keiner, so mit seinem Glauben dahinter zu stehen", meint beispielsweise der 15-jährige Georg aus Bischofswerda. Dem 16-jährigen Axel läuft bei manchen Lieder sogar die Gänsehaut herunter, berichtet er, und die 19-jährige Franziska aus der katholischen Pfarrei St. Franziskus in Chemnitz spürt, "dass Jesus einfach da ist, wenn wir ihn preisen".

Applaus erfüllt die Crostwitzer Pfarrkirche vom Altarraum bis zu den Emporen. Rechts vorne in der ersten Reihe klatschen ein paar Mädchen im Stehen. Eine Mutter schaukelt ihr Kind auf dem Schoß hin und her. Weiter hinten schunkeln Frauen in der Kirchenbank, andere strecken beide Arme nach oben.

20.39 Uhr: Immer mehr Zuhörer stehen auf, applaudieren, schwingen mit im Rhythmus der Musik. 20.41 Uhr: Betty springt nur ein paar Meter vom Altartisch entfernt in die Höhe, ein Pfeifen, Johlen und Klatschen durchdringt das Gotteshaus. 20.49 Uhr: Der Altarraum verwandelt sich in eine Tanzfläche, klatschend ziehen die Sänger als Polonaise durch die Kirche bis hinter zur Tür. Leipzig, Zwickau, Dresden und Freiberg sind die noch vor ihnen liegenden Stationen ihrer Tournee. Doch für die 16-jährige Rebekka aus Moritzburg steht schon unmittelbar nach dem ersten Auftritt fest: "Ich werde total traurig sein, wenn das letzte Konzert vorbei ist."

Karin Hammermaier

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 45 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 05.11.2000

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