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Auf zwei Minuten

Fußwallfahrt

Pater Damian

Pater Damian MeyerVor ein paar Wochen haben wir zu acht eine Fußwallfahrt von Parzham nach Altötting gemacht. Wir sind sozusagen die Hauptstationen des Lebenswegs des heiligen Bruders Konrad nachgegangen. Konrad, 1934 heilig gesprochen, wurde als Bauernsohn im niederbayrischen Parzham bei Griesbach geboren. Er wurde Kapuzinerbruder in Altötting, wo er vierzig Jahre Gott und den Menschen an der Klosterpforte diente.

Es war eine anstrengende zweitägige Wanderung über Seitenstraßen und Feldwege durch eine schöne Hügellandschaft. Die Anstrengung und Ermüdung wurde wettgemacht durch reiche spirituelle Erfahrungen: Das gemeinsame Beten des Rosenkranzes als Gebet des Weges, die stille Betrachtung der Natur, das persönliche Gebet, die Gespräche, die jeweilige Entscheidung, welcher Weg einzuschlagen sei, die Einkehr in verschiedene Kirchen am Weg. Ausgangspunkt und Ziel dieses Weges waren für mich nicht so bedeutend wie die Erfahrung des Weges selbst. Der Weg als Gleichnis unserer Pilgerschaft: Der Mensch hat seit jeher sein Leben als Pilgerschaft gesehen, als Unterwegssein auf verschlungenen Wegen seiner eigentlichen Heimat entgegen. Er bleibt nicht stehen, ruht sich nicht auf dem Erreichten aus, wandelt sich, kehrt um, schlägt einen anderen Weg ein. Erst am Ziel findet er Ruhe.

Wallfahrten zu den berühmten heiligen Stätten sind "in". Viele von Ihnen werden schon im Heiligen Land, in Rom oder Lourdes gewesen sein. Mir scheint, es kommt nicht so sehr darauf an, welchen Wallfahrtsort man als Ziel wählt. Wichtig ist das Erlebnis des Weges. Da ist es schon fraglich, ob Wallfahrten, die vollständig mit Bus und Bahn oder dem Flugzeug durchgeführt werden, den Weg als Pilgerweg erfahren lassen. Einen Weg zu gehen ist es etwas anderes als ihm im Fahrzeug zurückzulegen. Man muss sich Zeit nehmen.

Zu einer Wallfahrt gehört auch die "Entdeckung der Langsamkeit": Eine arabische Anekdote erzählt von einem Pilger, der nach Mekka kam, um am Heiligtum zu beten. Aber an der Kaaba, dem heiligen Stein, gelingt es ihm nicht, seine Gedanken zu sammeln. Während seine Lippen leere Formeln sprechen, hört er sich selbst zu und findet seine Gedanken bei ganz anderen Dingen. Er fragt einen Priester um Rat. "Seit wann bist du hier?", fragt der Priester. "Seit gestern. Ich kam mit dem Flugzeug." "Dann habe Geduld, mein Sohn. Die Seele kommt nach. Sie geht lieber zu Fuß."

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 46 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.11.2000

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