Dem Kulturbuch Bibel auf der Spur
5. Bibelkongress Weimar
Weimar (epd/tdh) - Allein ein Blick auf die kulturellen Jubiläen in diesem Jahr macht deutlich, wie sehr die Bibel die europäische Kultur geprägt hat: Der Komponist Johann Sebastian Bach, der Schriftsteller Thomas Mann, der Philosoph Friedrich Nietzsche und der italienische Filmregisseur Paolo Pasolini sind in ihrem Schaffen von der Bibel inspiriert worden. Was der Leiter des Canstein Bibelzentrums in Halle, Walter Martin Rehahn, herausstellte, traf die zentrale Botschaft des 5. Bibelkongresses am vergangenen Wochenende in Weimar: Die Bibel ist "Kult(ur)buch" an sich.
Bibel in der bildenden Kunst, in der deutschen Gegenwartsliteratur, in der Alltagskommunikation und als Kultur prägendes Buch waren denn auch die zahlreichen Vortrags- und Diskus- sionsveranstaltungen überschrieben. In Workshops ging es um Bibel und Film, Bibel und Tanz, Bibel in der Kunst, in der Musik, Bibel in der Werbung oder für die ganz praktische Schriftlesung um "Neuere Zugänge zur Bibel". In der Klassikerstadt fiel während der Tagung das gelbe Bibelmobil, der Bibel-Doppelstockbus, auf dem Goetheplatz auf. Ansonsten wies leider nur ein Plakat über dem Eingang des Tagungsgebäudes auf den 5. Bibelkongress hin, zu dem die Thüringer Bibelgesellschaft in Zusammenarbeit mit anderen Bibelwerken, evangelischen Landeskirchen und auch des Seelsorgeamtes Erfurt eingeladen hatte. Solche Bibelkongresse finden auf Betreiben der evangelischen Bibelgesellschaften im Bereich der neuen Länder in unregelmäßigen Abständen seit 1982 statt. Der 4. Bibelkongress war 1995 in Halle.
Bischof Joachim Wanke beklagte bei der Eröffnungsveranstaltung eine mangelnde Kenntnis der Bibel. Für viele Menschen vor allem in Ostdeutschland sei sie ein "Buch mit sieben Siegeln". Dadurch fehle häufig das Verständnis für kirchliche oder biblische Themen in Kunst und Literatur. In der gegenwärtigen Diskussion über ethische Werte in der Gesellschaft sei die Bibel unverzichtbar, betonte der evangelische Landesbischof Roland Hoffmann. Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) verwies als Schirmherr des Treffens darauf, dass nicht zuletzt die Thüringer Landesverfassung von der christlichen Soziallehre geprägt sei.
Auf dem Kongress diskutierten 90 Teilnehmer aus Thüringen, Berlin, Dresden, Schwerin und Dortmund, darunter zahlreiche Pfarrer und Lehrer, verschiedene Aspekte der Wirkungsgeschichte der Bibel. Die Veranstaltung habe sich vor allem an Multiplikatoren aus dem kulturellen Leben und den Kirchen gerichtet, sagte der evangelische Jenaer Theologe Klaus Raschzok vom Vorbereitungsteam auf Nachfrage. Insofern habe es sich um einen Arbeitskongress gehandelt.
Bei der Suche nach biblischen Motiven in Kunst, Musik, Literatur, Film, Alltagssprache und Werbung wurden die Teilnehmer schnell fündig. Hingegen stellte der Bonner Theologe Eberhard Hauschildt an Hand von eigenen Untersuchungen fest, dass sich der starke Einfluss biblischer Texte auf die Kultur im Alltag nicht wiederfinde. Danach haben sich nur flüchtige Spuren der Bibel in der alltäglichen Sprache erhalten, zumeist in Form von Sprichwörtern, wie "Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein". Kaum jemand wisse aber noch, woher die Sprichwörter stammten.
Auch die Werbebranche schöpfe noch immer aus dem "Bibeltopf", unterstrich der frühere Marketingdirektor Peter Carlberg. Der Zigarillo verkauft sich eben besser mit dem Slogan "Gott hat uns den Geruchssinn geschenkt." Hinsichtlich der Kirche diagnostizierte Carlberg "Produktschwäche". Ihr fehle der Glaube an die eigene Überzeugung. Pastoren müssten als Animateure für den Glauben, nicht als Vollzugsbeamte auftreten. Auch in der Bewertung des Kongresses wurden kritische Töne laut: "Inhaltlich auf hohem Niveau, aber für Insider von 40 Jahren aufwärts", lautet das Fazit von Mitorganisator Ekkehard Runge, Direktor der Haupt-Bibelgesellschaft. Ein "nicht kirchliches Bildungspublikum" anzusprechen, sei nicht gelungen.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.11.2000