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Bistum Dresden-Meißen

Aus dem Festvortrag von Monsignore Prause (1)

Garnisionskirche Dresden

Kürzlich feierte die Gemeinde St. Franzskus Xaverius in Dresden-Neustadt den 100. Weihetag ihrer Pfarrkirche St. Martin, die einst als Dresdner Garnisonkirche errichtet wurde. Monsignore Eberhard Prause näherte sich in seinem Festvortrag an das Gebäude und seine widersprüchliche Geschichte an. Der Vortrag wird mit leichten Kürzungen in dieser und den nächsten Ausgaben dokumentiert:

Am heutigen Tag und in dieser Stunde ist es einhundert Jahre her, dass dieses Gotteshaus geweiht wurde. In zwei großen Feiern, im evangelischen Teil mit 2000 Sitzplätzen und im katholischen mit 400 Plätzen, wurde erstmals Gottesdienst gehalten. Am Tag darauf, dem 29. Oktober 1900, berichtet der "Dresdner Anzeiger" von diesen beiden Feiern. Dem Berichterstatter ist es so wichtig, dass alle Anwesenden von Rang mit ihren Namen genannt werden, dass kaum mehr Raum bleibt über das zu berichten, was gesprochen wurde. Die Berichte über die gehaltenen Predigten sind kurz und knapp. Es heißt über die Festpredigt von Pastor Zschucke im evangelischen Teil: "Das neue Gotteshaus begrüßte Pastor Zschucke als die Krone der dasselbe umgebenden Bauten, und in der Erklärung des Weihetextes führte er aus, dass die innere Bedeutung des Gotteshauses eine dreifache sei, und zwar als Erbauungsstätte, als Opferstätte und als Friedensstätte". So weit der Dresdner Anzeiger. Leider wird nichts Näheres aus dem Inhalt der Predigt zitiert.

Das ist beim Bericht über die katholische Feier etwas anders, da hat den Berichterstatter eine Passage der Predigt offenbar sehr beeindruckt. "Die Geistlichkeit begab sich durch den Mittelgang zum Hochaltar und hielt nach dem Gemeindegesange ... der Militärpfarrer Rentsch die Festpredigt, in deren Eingange er die versammelte militärische Gemeinde aufforderte, wie im neuen Gotteshause die Kirchen beider Bekenntnisse eng aneinander geschmiedet seien und unter dem Schutze ein und desselben Daches stünden, möchten die katholischen Soldaten stets treu stehen in echter Kameradschaft zu den Protestantischen, als Kinder eines Gottes, zu dessen Thron die Gebete der einen wie der anderen aufstiegen ... Als Weihwort hatte der Herr Kanzelredner das Bibelwort gewählt: "lch will dein Haus mit Herrlichkeit erfüllen".

Dieser Gedanke des Predigers vor einhundert Jahren sollte bei allem, was nachher noch zu bedenken ist, nicht untergehen: Die Kirchen beider Bekenntnisse sind hier an diesem Ort "aneinander geschmiedet" und unter dem Schutz ein und desselben Daches. Beides wird vom Bau her durch die Rekonstruktion dieser Jahre wieder deutlich und schön vor aller Augen ins Bild gesetzt, auch wenn die Nutzung des evangelischen Teiles in Zukunft vielfältiger sein wird, das Symbol unter einem Dach zu sein, bleibt. Noch wichtiger aber ist der Hinweis, dass die Gebete der einen wie der anderen zum Throne des einen Gottes aufsteigen. Das ist ein schönes Zeugnis dessen, was wir heute ökumenischen Geist nennen.

Natürlich ist es in einer Garnisonkirche nicht anders zu erwarten, als dass dieses Zueinanderstehen begründet ist in der militärischen Kameradschaft. Und hier nun beginnen ja auch alle die nicht enden wollenden bohrenden Fragen und Probleme, die durch diese Kirche besonders provoziert werden. Vierzehn Jahre nach der Weihe dieses Gotteshauses begann der Erste Weltkrieg, 39 Jahre später der Zweite Weltkrieg, 45 Jahre danach zogen hier in die Kasernen Soldaten der Sowjetarmee ein, 50 Jahre später die Nationale Volksarmee. 90 Jahre danach die Heeresoffiziersschule der Bundeswehr.

Welch verschiedener Geist, was für unterschiedliche Mächte haben in diesem riesigen Militärgelände gewaltet. Und mittendrin diese Kirche, wie ein Hort des Gebetes und der Vergewisserung, des Segens Gottes für alles Militärische? Wie hatte doch der evangelische Kanzelredner heut vor einhundert Jahren gesagt: Erbauungsstätte, Opferstätte, Friedenstätte. Man hätte gern gewusst, was er darunter verstanden hat. Aber es steht etwas im Grundstein beider Kirchen, der vor 105 Jahren gelegt wurde, das uns einen deutlichen Hinweis gibt.

Die Urkunde des evangelischen Teiles schließt mit den Worten: " ... dass dieser Bau vollendet werde zu seiner Ehre, unserer teuren evangelischen Kirche zur Zierde und Stärke, unserem geliebten Vaterlande zum Heile und denen, die es schirmen zur Förderung in Gottesfurcht und Frömmigkeit. So wachse das Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus in Ewigkeit." Und in der Urkunde des katholischen Teiles heißt es: "Der Herr der Heerscharen aber, der dreimalige Heilige lasse seine reiche Gnade walten über dieser Stätte, die wir bereiten, auf dass hier gepflanzt und genährt werde jegliche Mannestugend und wir hier erziehen Schirmer des Vaterlandes und treue Soldaten unseres Herrn Jesu Christi, denen aufbewahrt ist der ewige Lorbeer im Himmel. Dresden, am 28. Oktober 1895. Gez. Von der Planitz, Generalleutnant und Kriegsminister, gez. Von Zeschau, Generalleutnant der Residenz, gez. Rentsch, katholischer Militärpfarrer."

Es fällt einem nach den Erfahrungen des 20. Jahrhunderts sehr schwer, dieses Denken nachzuvollziehen, aus dem heraus zu verstehen wäre, dass das Reich unseres Herrn und Heilandes wächst, und es der evangelischen Kirche zur Zierde gereicht, wenn das Heil des geliebten Vaterlandes gefördert wird in Gottesfurcht und Frömmigkeit der Soldaten. Jegliche Mannestugend soll gepflanzt und genährt werden, damit Schirmer des Vaterlandes und treue Soldaten erzogen werden.

Es wird eine Verbindung hergestellt, die weder damals noch heute nachvollziehbar ist: "Treue Soldaten unseres Herrn Jesu Christi, denen aufbewahrt ist der eigene Lorbeer im Himmel." Dass darunter ein Kriegsminister seine Unterschrift setzt scheint verständlich, aber ein Militärpfarrer? Diese theologischen Irrwege, die sich hier in diesen Grundsteinen manifestiert haben und mit deren Auswirkungen wir bis heute leben müssen, haben sich besonders im Ersten Weltkrieg in tragischer Weise selbst ad absurdum geführt.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 46 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 12.11.2000

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