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Bistum Dresden-Meißen

Integration von Spätaussiedlern wird immer schwieriger

Caritas Dresden

Dresden (tg) - Rund 6500 Russ-landdeutsche kommen Jahr für Jahr nach Sachsen, 100 000 nimmt die gesamte Bundesrepublik auf. Die Zahl dieser einreisenden Russlanddeutschen ist in den vergangenen sechs Jahren nahezu konstant geblieben. Dennoch bereite ihre Integration immer größere Schwierigkeiten, sagt Ulrich Backe vom Caritasverband des Bistums Dresden-Meißen. Denn heute besäßen nur noch rund ein Viertel von ihnen solide Deutschkenntnisse, zudem würden sie häufig in billigen an wenigen Stellen führe zu einer "Ghetto-Bildung" und zur Entstehung von Cliquen unter den Spätaussiedlern. Hinzu kämen nicht selten Probleme mit Alkohol. Die Gefahr, in die Kriminalität abzurutschen, sei hoch.

Ein ähnlich ernüchterndes Resümee zieht der Migrationsbeauftragte der sächsischen Diakonie, Albrecht Engelmann: Schulisches Weiterkommen und beruflicher Einstieg würden zu großen Hürden für die Aussiedler, "die gesellschaftliche Akzeptanz ist schwach und kippt teilweise in Feindschaft um, Aussiedlerfamilien leben oft isoliert und halten nur untereinander Kontakt". Würden sie in strukturschwache Gebiete verteilt, könnten sie sich noch schwerer integrieren. Rund 5000 Arbeitslose gäbe es unter den Aussiedlern, davon seien etwa 20 Prozent Langzeitarbeitslose, so Engelmann.

Zwar müssen Russlanddeutsche Sprachkenntnisse nachweisen, ehe sie einreisen können, sagt Dagmar Zilger vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Aber das gelte nur für den Antragsteller, nicht für dessen Familienmitglieder. Etliche zeigten große Anstrengung, die deutsche Sprache schnell zu lernen und möglichst rasch eine Arbeit zu finden. Andere jedoch kämen völlig unvorbereitet, sprächen ausschließlich russisch und könnten auch nach längerer Zeit nicht einmal ihren Namen auf Deutsch schreiben. Die Erwartungen unter ihnen seien sehr groß, sagt Albrecht Engelmann. Viele glaubten, Deutschland sei eine Art gelobtes Wirtschaftswunderland und sie als Deutsche seien sofort willkommen. Würden sie dann mit den Realitäten hier konfrontiert, entstünden Frustrationen. "Wir können aber diese Aussiedler nicht hierher holen und sie dann ihrem Schicksal überlassen", so Engelmann.

Aufgabe der Beratungsstellen der freien Wohlfahrtsträger sei es deshalb, den Aussiedlern zu helfen, damit sie mit dieser schwierigen Situation zurechtkommen, meint Dagmar Zilger. Sie hätten eine Art "Brückenfunktion", seien erste Ansprechpartner. So werde in den Beratungsstellen praktische Starthilfe gegeben, würden rechtliche Fragen geklärt, gebe es Unterstützung bei Behördengängen.

Das Wichtigste jedoch sei, dass die Sprachausbildung für die Aussiedler verbessert werde, so Dagmar Zilger. Doch statt dessen sei die Dauer der Kurse von einst zwölf Monaten im Laufe der Jahre auf gegenwärtig sechs Monate gesenkt worden. Das reiche keinesfalls. Nötig seien kleinere Gruppen und ein nach Fähigkeiten differenzierter Unterricht. Dagmar Zilger: "Anschließend müssten die Aussiedler sofort in Projekte wie etwa Arbeit statt Sozialhilfe integriert werden. Lernen und Arbeit müssen kombiniert werden."

Jetzt haben sich die mit der Aussiedlerarbeit befassten Vertreter aller Wohlfahrtsverbände zum ersten Mal mit Vertretern der Ämter und der Staatsregierung im Haus des Caritasverbandes in Dresden getroffen und darüber verständigt, was am nötigsten ist. Dazu zählen für Dagmar Zilger auch die rund 35 Prozent jugendlichen Russlanddeutschen. Sie brauchten beispielsweise eigene Jugendclubs, wo sie unter sich sein könnten. Das schaffe eine bessere Grundlage für die Integration. Es sei viel einfacher für deutsche Jugendliche, in einen russischen Jugendclub zu gehen als umgekehrt.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 47 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.11.2000

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