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Dialog ermöglicht Nachbarschaft

Hoffnungen und Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen Deutschen und Tschechen

Wechselburg (jak) In der Vergleichbarkeit sieht Pater Angelus Graf Waldstein einen wichtigen Aspekt der Versöhnung zwischen Tschechen und Deutschen. Er sagte: "Könnten wir uns eingestehen, dass das kleine Volk der Tschechen und die kleine Minderheit der Sudetendeutschen immer wieder von der großen Politik überrollt und missbraucht wurden, dann wäre es viel leichter, sich die Hand zu geben." Graf Waldstein war am 19. Januar Referent in der Reihe "Wechselburger Samstage", zu der das Benediktinerkloster Wechselburg mehrmals im Jahr einlädt. Sein Thema waren die geistig-geistlichen Grundlagen, die Deutsche und Tschechen näher zusammen führen können, um Versöhnung zu ermöglichen. Dabei scheute er sich nicht vor Kritik, zum einen an der Sudetendeutschen Landsmannschaft und zum anderen an der aktuellen tschechischen Politik.

HINDERNISSE: KIRCHE SOLL WIEDER IN DIE SAKRISTEI

Ein Beispiel dafür ist die Haltung des ODS-Vorsitzenden Vaclav Klaus, dieser stellte Anfang der 90er Jahre die Frage, was denn eigentlich zu versöhnen sei. Kritisch sieht Pater Waldstein auch den Umgang des tschechischen Staates mit der katholischen Kirche, noch immer wurde keine Einigung auf die Rückgabe des Kirchenbesitzes erzielt. Dies führe dazu, dass die katholische Kirche in Böhmen und Mähren in ihren Handlungen eingeschränkt ist und auf Hilfe von außen beispielsweise durch das Hilfswerk Renovabis angewiesen bleibt. Deutlich sei das Bestreben der Politik, die Kirche wieder in die Sakristei zu verbannen. Als glücklichen Umstand bezeichnete Graf Waldstein, die moralische Instanz von Präsident Vaclav Havel. Leider sei es aber so, dass viele seiner Äußerungen kaum bekannt sind. So verwies der Präsident während des Währungsgipfels in Prag auf den Dom des heiligen Veit, des heiligen Adalbert und des heiligen Nepomuk. Dabei betont er, dass es mehr geben muss als wirtschaftliche Zahlen und Bilanzen, und erinnerte daran, dass sich vergangene Generationen etwas kosten ließen, als sie einen solchen Dom bauten, der ja selbst nichts Materielles zurückgab. Und 1990 sagte Havel, dass das, was die Tschechen nach 1945 an ihren einstigen deutschen Mitbürgern getan haben, nicht Strafe war sondern Rache. Graf Waldstein erinnerte weiter an die schwierige Situation des Präsidenten, der sich gerade wegen solchen direkten Äußerungen immer wieder in der Kritik der tschechischen Tagespolitik befindet: "Was er sich da gefallen lassen muss, das ist ungeheuerlich." Mit Blick auf die Landsmannschaft und deren Alleinvertretungsanspruch der sudetendeutschen Volksgruppe betonte der Referent, dass es das Recht und die Gerechtigkeit gebe. Letztere setze voraus, dass geschichtliche sowie gesellschaftliche Entwicklungen wahrgenommen werden. Nur so könnten gemeinsam neue Wege gefunden werden. Graf Waldstein bestritt zudem die These, dass die Sudetendeutschen "vollkommen unschuldig" waren. Auch wenn es zwar eine Ausnahme war, es hat den Pfarrer gegeben, der 1938 mit einem Hitlerbild hinter dem Altar einen Dankgottesdienst feierte. Zugleich warnte der Referent vor Überheblichkeit, vielmehr sollten sich die Deutschen diese bis heute vorhandene Haltung eingestehen. "Ja, wir waren überheblich und haben die Tschechen tief verletzt", sagte Waldstein. Viele Vertriebene betonen bis heute, dass zur Heimat auch die Menschen gehören und dass sie daher in den einst deutschen Gebieten kein rechtes Heimatgefühl aufbauen könnten. Pater Waldstein machte aus eigener Erfahrung Mut, den Dialog zu den heute dort lebenden Menschen zu suchen. "Ich kenne drüben inzwischen so viele Menschen, dass ich mich zu Hause fühle", betonte der Referent. Wichtig sind besonders kirchliche Kontakte, eine Aufgabe, der sich besonders die Ackermann-Gemeinde, ein Zusammenschluss katholischer Christen stellt. Die Ackermann-Gemeinde entstand 1946 aus einem Kreis sudetendeutscher Katholiken, die ihre Herkunft aus Böhmen und Mähren-Schlesien als Verpflichtung für ihr Wirken in Kirche, Volk, Staat und Gesellschaft empfanden. Heute ist diese Gemeinde offen für alle, die sich ihre Ziele zu Nutzen machen und das Leben dieser Gemeinschaft verantwortlich mitgestalten wollen.

IN LIEBE UND TREUE DEN HASS ÜBERWINDEN

Das gute kirchliche Verhältnis zwischen Deutschland und Tschechien basiert auch auf der Arbeit dieser Gemeinde. Graf Waldstein erinnerte daran, dass deren einstiger geistlicher Beirat, Pfarrer Anton Otte, heute Ehrenkanonikus am Prager Dom ist. Otte betreute unter anderem die Außenstelle der Ackermann-Gemeinde in Prag. Aus den langjährigen Bemühungen der Ackermann-Gemeinde um Versöhnung machte Angelus Waldstein seine Zuhörer mit einem Predigttext aus dem Jahre 1955 von Pater Paulus Sladek bekannt. Darin heißt es unter anderem: "Das ist die Aufgabe für uns, für heute und morgen: Dass wir in uns das Nein des Hasses überwinden und, wenn wir an unsere Heimat denken in Liebe und Treue, das tschechische Brudervolk einbeziehen in unsere Gedanken für die Zukunft und uns bereit machen für einen neuen Anfang dass wir heute schon darum besorgt sind, dass die neue Nachbarschaft zwischen Deutschen und Tschechen eine gute werde." Heute fast 50 Jahre nach diesen Worten habe sich gerade in dieser Nachbarschaft einiges getan, wie Graf Waldstein sagte. Entlang der Grenze von Bayern und Sachsen zur Tschechischen Republik gebe es eine Vielzahl von grenzüberschreitenden Projekten. Projekten der Begegnung, der Wirtschaft aber auch der Forschung. So die intensive Zusammenarbeit der Hochschulen in Dresden und Aussig (Usti nad Labem) zur Geschichte beider Völker.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 4 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Dienstag, 29.01.2002

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