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Bistum Görlitz

Anja Lehmann in Doberlug-Kirchhain

Vorgestellt

Anja LehmannDoberlug-Kirchhain - In der Weihnachtszeit haben sie wieder Saison: die zarten Geschöpfe mit weißen Gewändern, goldenen Flügeln und Lockenhaar. Ihren Namen aber verleihen die himmlischen Boten das ganze Jahr über - zum Beispiel an eine Mädchengruppe in Doberlug-Kirchhain.

Seit vier Jahren leitet Anja Lehmann dort eigenständig die so genannten "Engelkinder". Entstanden sind sie aus einer "Frohschargruppe", dem weiblichen Pendant zum früher ausschließlich Jungen vorbehaltenen Ministrantendienst. Sechs katholische Mädchen zwischen zehn und zwölf Jahren kommen regelmäßig zu den wöchentlichen Treffen. Gelegentlich finden sich aber auch Gleichaltrige ohne Bekenntnis im Kirchhainer Pfarrhaus ein.

Langeweile kommt in diesen 60 Minuten des Zusammenseins bestimmt bei keinem auf: "Wir basteln, singen, musizieren oder kochen gemeinsam, unterhalten uns über kirchliche Themen, studieren Theaterstücke ein oder fahren weg", zählt Anja Lehmann die vielfältigen Aktivitäten der Gruppe auf. Martinslaternen, Namensschilder aus Salzteig, Weihnachtsbäume aus Klopapierrollen, bunte Fensterbilder und viele andere kleine Kunstwerke sind an diesen Donnerstagnachmittagen schon entstanden. Auch von der Welt haben die Engelkinder schon einiges gesehen. Über Allerheiligen zum Beispiel waren sie zusammen mit ihrem "Oberengel" fünf Tage in der Spreewaldstadt Lübben. Die jährliche stattfindende Sommerfahrt wurde diesmal auf den Herbst verlegt, da Anja vorher mitten im Abiturstress steckte. Seit 1. September kann sich die Ministrantin und frühere Jugendsprecherin nun aber ganz ihren Aufgaben in der Pfarrei widmen. Unter dem Dach der Caritas absolviert die 19-Jährige dort ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ).

"Nur eine Spinnerei", meint Anja, sei das Ganze am Anfang gewesen. Als Pfarrer Norbert Joklitschke sie gefragt habe, was sie nach der Schule tun wolle, habe sie ihm von dem geplanten sozialen Jahr erzählt und lediglich aus Spaß hinzugefügt, dass sie es ja bei ihm in der Gemeinde machen könne.

Gesagt, getan: Joklitschke verwendete etliche Kollekten für das Projekt, schickte Briefe an Bekannte, frühere Ortsgeistliche und Spender, die schon zwei Jahre zuvor für den Spielplatz auf dem Pfarrgelände etwas gegeben hatten, legte noch einen Hefter mit Fotos vom Don-Bosco-Kinderfest bei, das Anja vorbereitet hatte, und schon war das Geld für die FSJ-Stelle zusammen - zur Freude von Anja Lehmann: "Es macht richtig Spaß", fasst sie die Begeisterung für ihre momentane Arbeit in Worte. Vor allem die Kinder auf dem Spielplatz, die sie nachmittags immer beaufsichtigt, würden ihr nach diesem Jahr sicher fehlen, meint die Abiturientin.

Die Wiese mit Rutsche, Wackelbrücke und Schaukel ist beliebt bei den Kindern am Ort. Eigentlich seien die Geräte für Jungen und Mädchen aus der Gemeinde aufgestellt worden, erläutert Anja, damit sie dort spielen könnten, wenn sie zum Religionsunterricht kämen oder wenn in der Pfarrei St. Bonifatius und St. Elisabeth eine Kinderwoche stattfinde. "Dass es so viele andere sind, haben wir auch nicht gedacht", freut sie sich über die positive Resonanz auf die neu gestaltete Anlage.

Gerade Kinder aus sozial schwachen Familien nutzen das Angebot. Viele gehen in die Förderschule, haben Schwierigkeiten, sich in eine Gruppe einzufügen. Anja betreut deshalb manche von ihnen einzeln, liest eine Geschichte vor, lässt sie von den Kindern nacherzählen oder übt ein bisschen schreiben mit ihnen.

Ab und an weckt der Kontakt zu Christen auch Neugierde bei den Spielplatzbesuchern: "Die fragen schon, was 'ne Kirche ist", erzählt Anja. Manche könnten gar nichts damit anfangen und würden sogar darüber lästern. Andere kämen beispielsweise zur Nikolausfeier oder einem Kinderfest der Gemeinde.

Vermissen werde sie aber genauso die alten Menschen, fügt die 19-Jährige hinzu. Jeden Freitagvormittag verbringt sie im Seniorenzentrum, "quatscht" mit den teils bettlägrigen Bewohnern oder geht mit ihnen spazieren.

Achtklässlern Religionsunterricht geben, ein Mädchen auf die Taufe vorbereiten, Büroarbeit für die Gemeinde erledigen, auch das gehört zu Anjas Aufgaben. Die 19-Jährige weiß die große Bandbreite zu schätzen: "Die meisten machen ihr soziales Jahr im Kindergarten oder in einer Sozialstation", berichtet sie. In der Gemeinde seien dagegen sämtliche Altersgruppen "von vier bis 90" vertreten.

So hat Anja Lehmann mit Jung und Alt stets alle Hände voll zu tun: Kaum sind Martinsspiel und Ministrantentag vorbei, geht es auch schon ans Vorbereiten des Krippenspiels. Spätestens bis Heiligabend muss es schließlich sitzen.

Karin Hammermaier

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 47 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 19.11.2000

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