Leicht und schwer
Pater Damian
"Ach, man hat's nicht leicht ..." - "Nehmen Sie es nicht so schwer!" "Take it easy." Solche Redewendungen sind geläufig, besagen aber nicht sehr viel. Von dem Dichter Richard Dehmel stammt ein Wort über "leicht" und "schwer", das aus tiefer Erfahrung kommt und eine hilfreiche Lebensregel werden kann: "Nichts ist schwer, sind wir nur leicht." Was bedeutet dieses "leicht"? Es kann wohl nicht bedeuten: leichtfertig, leichtfüßig, leichtsinnig, sondern lässt sich eher umschreiben mit: gelöst, gelassen, von innen her gelockert, beweglich, durchlässig, vertrauend.
Ich glaube, der altchinesische Philosoph Laotse meint Ähnliches, wenn er sagt: "Weich und schwach wird der Mensch geboren. / Im Tode ist er hart und steif. / Grüne Pflanzen sind zart und mit Lebenssaft gefüllt. / Verdorrt und trocken sind sie im Tode. / So lernt der Starke, Unbeugsame vom Tode, / der Sanfte, Nachgiebige vom Leben. / Unbewegliche Armee kann nie die Schlacht gewinnen. / Unbiegsamer Baum zerbricht im Sturm. / Das Harte wird fallen. / Das Weiche und Schwache wird überdauern." Laotse spricht den gleichen Gedanken im Bilde des Wassers aus: "Nichts in der Welt ist weicher und schwächer als Wasser, und doch gibt es nichts, das wie Wasser Starres und Hartes bezwingt. Unabänderlich strömt es nach seiner Art.. Dass Schwaches über Starkes siegt, Starres Geschmeidigem unterliegt, wer wüsste das nicht? Doch wer handelt danach!"
Uns ist das Bild vom Christen als Kämpfer vertraut. Um das Gute durchzusetzen, bedarf es des ganzen Einsatzes. So heißt es in einem bekannten Kirchenlied: "Wir sind im Kampfe Tag und Nacht. / O Herr, nimm gnädig uns in acht und steh uns an der Seiten." Mir scheint, der Christ ist in diesem Kampf eher ein Leichtgewicht als ein Schwergewicht: Beweglich mit leichtem Gepäck, das heißt, er nimmt sich selbst nicht so schwer, so überwichtig. Und was in diesem Kampf manchmal nach Schwäche und Passivität, nach Nachgeben und Kompromiss aussieht, ist seine Stärke: Geduld und Beharrlichkeit.
Mich erinnert das an einen Mann, der - obwohl von schwacher Gesundheit - in einem abenteuerlichen Leben viel herumgekommen ist, viel geleistet und gelitten hat. Ich meine Paulus von Tarsus. Im zweiten Korintherbrief zieht er das Fazit seines Lebens. Er hat sich selbst leicht genommen und auf den vertraut, der zu ihm gesagt hatte: "Meine Gnade genügt dir, denn sie erweist ihre Kraft in der Schwachheit" (2 Kor 12,9).
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.11.2000