Aus dem Festvortrag von Monsignore Prause (3)
Garnisionskirche Dresden
Monsignore Eberhard Prause näherte sich in einem Festvortrag an die Geschichte der Garnisonkirche Dresden an:
Es scheint, wir reden noch von der Vergangenheit, wenn diese Kirche als ein Zeichen des Verfalls von 1945 bis 1990 gesehen werden muss. Fast ohne Beschädigung aus dem großen Aschermittwoch der Stadt Dresden des 14. Februar 1945 hervorgegangen, diente sie kurze Zeit als Konzertsaal in ihrem größeren Teil. Und es begann durch die Zerstörung der katholischen Kirche am Albertplatz am 17. April 1945 eine neue Geschichte dieser Kirche mit einer Ortsgemeinde, wofür sie nicht gedacht und gebaut war, worin aber nun ihre Zukunft besteht. Dass Gleiches für den evangelischen Teil der Kirche nicht möglich war und ist, liegt schlicht daran, dass fast zur gleichen Zeit mit dieser Garnisonkirche in diesem Stadtteil drei evangelische Kirchen erbaut wurden. ...
Damit war die Kirche aber auch dem Verfall preisgegeben. Sie wurde inmitten der Kasernen ... ein Zeichen für das Absterben von Religion und Kirche im Sinne des Atheismus, der Ideologie des Marxismus-Leninismus.
In einem Brief von 1968 schreibt der damalige Pfarrer Johannes Klante an den Oberbürgermeister von Dresden: "Wir möchten sehr Ihre Aufmerksamkeit auf den allgemeinen Zustand der Martinskirche (ehemals Garnisonkirche) lenken. Die Kirche verfällt mehr und mehr, und der zurzeit als Pfarrkirche dienende katholische Teil für Dresden-Neustadt ist damit ebenfalls vom Verfall bedroht. In- und ausländische Besucher unserer Stadt drücken über den Zustand der Kirche ihr Befremden, Entsetzen und ihre Enttäuschung aus. Wir bitten im Interesse des Ansehens unserer Stadt, der DDR und unserer Gemeinde unbedingt um eine Besichtigung des Geländes."
Der Verfall der Kirche war aber nicht aufzuhalten. Und es ist schon ein symbolisches Zeichen: Wenn ein Teil zerfällt, verfällt der andere mit. Was unter einem Dach geplant war, bleibt bis heute "aneinander geschmiedet" wie es vor einhundert Jahren gesagt wurde. Und das ist auch in Zukunft zu beachten. Denn zwischen diesen beiden Teilen steht der Turm und auf ihm leuchtet seit Oktober 1999 wieder ein vergoldetes Kreuz. ... Der katholischen Neustädter Gemeinde und ihren Seelsorgern kann man nicht dankbar genug sein, dass sie nie den Kampf gegen die Mächte des Zerfalls aufgegeben haben. Die sowjetischen und deutschen Soldaten sind an ihr wie an einem Fremdkörper vorbeimarschiert.
Wir, die wir heute die Wiederauferstehung dieser Kirche sehen und feiern, sollten uns daran erinnern, wie deprimierend diese Jahrzehnte des schleichenden Zerfalls waren. Diese gähnende Leere und Ohnmacht, ohne Aussicht auf Veränderung. In diesem Bau hat sich widergespiegelt, was Nationalsozialismus und Sozialismus am Menschen angerichtet haben: Zerfall aller Werte, Überheblichkeit der ideologischen Überzeugung, Unfähigkeit dem Menschen gerecht zu werden, das Auslöschen aller transzendenten Dimensionen unseres Daseins. Und die Bereitschaft, für diese Ideologie Menschen in den Tod zu schicken.
Am 20. August 1998 wurde ein für diese Kirche wichtiger Vertrag geschlossen zwischen der Bundesrepublik Deutschland als Verkäufer und Manfred Kaiser aus Deining als Käufer. Ein Kuriosum auf beiden Seiten. Der Bund war durch die Wiedervereinigung nach der Rechtslage der Eigentümer dieser Kirche geworden und Manfred Kaiser hatte den Mut, diese Kirche zu kaufen. Er bekam diese Kirche für Null Mark, aber mit der Auflage der Kaufgegenleistung des Bauunterhaltes am gesamten Baukörper der Martinskirche, wie sie im Vertrag nun heißt, einschließlich des Turms.
Wenn wir nun hier in einem Raum sind, dessen kompliziertes und schönes Dach einschließlich des Turmes saniert und zum Teil ganz neu geschaffen wurden, so hätte nach Vertragslage Manfred Kaiser dazu zwölf Jahre Zeit gehabt. Er hat es in zwei Jahren in bester Bauausführung geschafft. Dafür kann man nicht genug dankbar sein. Nun geht es an die Gestaltung der Innenräume, deren Hauptnutzer in diesem katholischen Teil die Pfarrei Franziskus-Xaverius ist, gemeinsam mit der katholischen und evangelischen Militärseelsorge ...
Da die evangelische Kirche ihre Widmungsrechte zur kirchlichen Nutzung des evangelischen Kirchenraumes nicht ausübt, kann dieser Teil zu einer Mehrzwecknutzung ausgebaut werden. Man kann gespannt sein, wie sich diese Nutzung gestaltet, deren Voraussetzungen nach Vertragstext einmal die "würdevolle Nutzung der Martinskirche" ist und zum anderen, dass dieses Bauwerk seit 1995 zu den Kulturdenkmälern der Landeshauptstadt Dresden gehört.
Bevor es zu dieser neuen und überraschenden Rechtslage kam, hatte sich in den Jahren davor ein Verein gebildet, der "Förderverein Simultankirche St. Martin e.V.". Ihm ist es unter Leitung von Thomas Socha ganz wesentlich zu verdanken, dass Pläne aufgegeben wurden, diese Kirche zu verlassen. Zeichenhaft für dieses Ja zur Martinskirche begann der Verein mit gesammelten Spenden die Buntglasfenster zu erneuern.
Das war und ist Zeichen nach innen und außen, dass diese Kirche nicht nur Förderer hat, sondern hier eine Gemeinde lebt und Gottesdienst feiert. Bald wird durch den Bau des Pfarrzentrums wenige Meter neben der Kirche, eines Kindergartens mit 80 Plätzen und einer Anlage für betreutes Wohnen, diese Kirche immer mehr zu einem lebendigen Haus. Hier ist aber auch in Zukunft die Militärseelsorge zu Hause. Ihnen, den Angehörigen der Bundeswehr, gilt nach wie vor die Widmung dieser Kirche. Im Unterschied zu allen ihren Vorgängern, ist das Selbstverständnis und die Tradition der Bundeswehr "wesentlich von den freiheitlichen Werten der deutschen Militärgeschichte geprägt. Daneben gehört der Geist des deutschen Widerstandes gegen die nationalsozialistische Diktatur zu dem ethischen Fundament, auf dem die Bundeswehr aufbaut."
Schluss
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.11.2000