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Bistum Magdeburg

Im Beichtstuhl brennt sie Sicherung durch

Siedlungswerk St. Gertrud

Magdeburg (dw) - Eigentumswohnungen, Bestattungsunternehmen, Diskothek, Moschee - das niederländische Bistum Utrecht sammelt seit 25 Jahren die unterschiedlichsten Erfahrungen mit der Umnutzung von Kirchengebäuden. Auf Einladung des katholischen Siedlungswerkes St. Gertrud gab der Kunstbeauftragte des Bistums Essen, Dr. Herbert Fendrich, am 16. November im Magdeburger Propsteisaal Eindrücke einer Holland-Exkursion wieder. Zu den besichtigten Beispielen, die Fendrich zufolge auch von mitgereisten Prälaten als gelungen eingeschätzt wurden, gehörte eine teilweise umgenutzte Kirche, die neben dem verkleinerten Gottesdienstraum nun noch ein Pfarrzentrum, einen Kindergarten, ein kommunales Begegnungszentrum und ein Architekturbüro beherbergt. Auch die Eigentums-Wohnanlage in einer denkmalgeschützten, kunstvoll restaurierten Kirche stieß auf Gefallen, wenngleich der im ehemaligen Beichtstuhl eingerichtete Sicherungs- und Schaltraum Schmunzeln auslöste.

Begeisterungsstürme löst die Aussicht, Kirchen fern ihres Ursprungszweckes zu nutzen oder sie gar abzureißen, weder in Essen noch in Utrecht oder Magdeburg aus. Dass man in den Niederlanden diese Wege schon länger beschreitet, mag damit zusammenhängen, dass die dortigen katholischen Gemeinden für die Finanzierung ihrer Immobilien und ihres Personals selbst verantwortlich sind. Die Lasten zu großer Kirchen bekommen sie deshalb viel unmittelbarer zu spüren als Gemeinden in Deutschland. Wenn es finanziell eng wird, zieht man als erste Alternative in der Regel den Verkauf an eine andere christliche Kirche oder die ökumenische Nutzung in Erwägung.

Im Ruhrbistum wird damit gerechnet, dass in einigen Jahren eine größere Zahl von Kirchengebäuden nicht mehr gebraucht wird und dass dann nicht mehr genügend Geld für den Erhalt all dieser Gotteshäuser zur Verfügung steht. Um sich von den Ereignissen dann nicht überrollen zu lassen, wird in der Essener Bistumsleitung derzeit über Handlungsleitlinien für den Umgang mit ungenutzten Kirchen diskutiert. Die Utrecht-Exkursion war Teil des Meinungsbildungsprozesses, den Fendrich auch den Magdeburgern empfahl. Hier gibt es mehrere Kirchen, die bereits Gegenstand der Diskussion über künftige Nutzung sind: In Wolfen, Jeßnitz, Raguhn und Greppin beispielsweise stehen Kirchen, die eigentlich nach der Eröffnung des neu erbauten Gemeindezentrums Edith Stein in Wolfen-Nord geschlossen werden sollten. In Zeitz steht die frühere katholische Kirche leer, seitdem die Gemeinde vor zwei Jahren in den Dom umgezogen ist. In Lauchhammer stehen zwei Kirchen für eine Gemeinde, die mit einer einzigen gut auskäme ...

Patentrezepte hatte der Referent aus Essen für diese Kirchen nicht in der Tasche, und auch die Ideensammlung unter den anwesenden Bauleuten, Juristen und Priestern brachte zwar vom Bibelzoo über das Kirchenhotel bis hin zum Bestattungshaus eine Reihe Anregungen, aber gleichzeitig auch die Gewissheit, dass die meisten in einer Region mit großem Bevölkerungsschwund und Immobilienleerstand nicht ohne Weiteres zu verwirklichen sind. "Es gibt massive Vorbehalte gegen Umnutzungs-Vorschläge", berichteten anwesende Pfarrer. Vorbehalte, die die Entscheidungsträger Herbert Fendrich zufolge unbedingt ernst nehmen sollten. Schließlich seien die Kirchen Heimat für die Christen, oftmals schon seit Generationen. Christen bräuchten die Kirchen für ihre eigene Identität und als Glaubenszeugnis. Deshalb müsse es oberster Grundsatz bleiben, Kirchen - wenn es irgend geht - in ihrer Funktion zu erhalten. Unwürdige Nutzungen, zum Beispiel als Spielhalle oder Bordell, sollten unbedingt ausgeschlossen werden. Nicht haltbar seien allerdings die oft angeführten theologischen Argumente gegen Umnutzungen, belegte Fendrich mit zahlreichen Versen aus dem Alten und Neuen Testament. Kirchen seien nicht per se Gotteshäuser, sie würden es, wenn Gemeinden sich in ihr versammelten. Zu heiligen Orten mache nicht der Bau die Kirchen, sondern Weihe oder Segnung. Wenn sie zum großen Teil zerstört oder dauerhaft profanem Gebrauch zugeführt würden, verlören sie diesen Charakter.

In der Podiumsdiskussion im Anschluss an Fendrichs Vortrag "outete" sich der Magdeburger Generalvikar Theo Stolpe als Kirchenumnutzer. Als er in den 70er Jahren Pfarrer in Aschersleben war, habe er den Umbau der vorherigen Pfarrkirche zum Gemeindezentrum veranlasst. Die Gemeinde hatte dort ein mittelalterliches, zwischenzeitlich von der evangelischen Kirche genutzes Gotteshaus übernommen. Mit zunehmendem Alter werde er im Bezug auf Umnutzungen immer vorsichtiger, sagte der Generalvikar. Fendrich warnte vor allzu großer Vorsicht. "Wenn man immer erst im letzten Moment handelt, gibt man zuviel Geld für Zweitrangiges aus, Geld, das für die Seelsorge dann fehlt", erläuterte er.

"Das Schlimmste ist, wenn eine Kirche leersteht und langsam vergammelt", sagte der Zeitzer Pfarrer Norbert Sommer. Verfallende Kirchen, wie sie in Sachsen-Anhalt an vielen Orten zu finden sind, seien ein miserables Zeugnis christlichen Glaubens. Da er der seit zwei Jahren leer stehenden Zeitzer Peter- und Pauls-Kirche ein solches Schicksal auf jeden Fall ersparen möchte, sucht Pfarrer Sommer händeringend nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für das Gebäude. Sämtliche Einrichtungs- und Kunstgegenstände mit Ausnahme der Orgel sind bereits an andere Gemeinden verteilt worden. Im Anschluss an die Veranstaltung trafen sich die Teilnehmer zu einem Mahl in der St.-Immanuel-Kirche in Magdeburg-Prester. Rolf Onnen, früher Denkmalpfleger in Niedersachsen, hatte das vom Verfall bedrohte romanische Kirchengebäude, das schon seit Jahren nicht mehr als Gotteshaus genutzt worden war, vor drei Jahren von der evangelischen Kirche erworben. Er nutzt es multifunktional, insbesondere betreibt er darin ein Restaurant.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 48 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 26.11.2000

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