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Auf zwei Minuten

Wer ist groß?

Pater Damian

Pater Damian MeyerDie Geschichte kennt nicht wenige Persönlichkeiten, die den Beinamen "der Große" tragen, so Alexander der Große, Albert der Große, Herodes der Große, Karl der Große, Katharina die Große, Leo der Große, Kyros der Große, Pompeius der Große, Theoderich der Große. Es sind berühmte Leute, Kaiser und Kaiserinnen, Könige, Päpste und Gelehrte, die für ihre Leistungen mit diesem Namen geehrt werden. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass es im Laufe der Geschichte nicht viele andere Männer und Frauen gegeben hat, die ebenso Großes, ja Größeres, und Wertvolles für die Menschheit geleistet haben, ohne mit dem Beinamen "der / die Große" geschmückt zu sein.

Wer verdient es, als groß bezeichnet zu werden? Welchen Maßstab soll man bei der Beurteilung an einen Menschen anlegen? Mir scheint, der altchinesische Philosoph Mencius (um 371 bis 288 v. Chr.) gibt uns da brauchbare Kriterien an die Hand. Mencius (chin. Mengtse) wird als einer der größten chinesischen Denker gleich nach Konfuzius angesehen. Er schreibt: "Die weite Welt überall unter dem Himmel als sein Heim betrachten; auf dem Platz der Aufrechten in der Welt stehen; den rechten Weg in der Welt gehen; seine Kräfte, wenn man ein öffentliches Amt innehat, zum Wohle des Volkes einsetzen, und wenn man kein öffentliches Amt ausübt, allein dem Weg folgen, der einem recht erscheint; sich durch Reichtum und Ehren nicht verderben lassen; in Armut und Erniedrigung nicht von seinen Idealen abweichen; sich nicht vor falscher Majestät und nackter Gewalt beugen - einen solchen Menschen kann man als groß bezeichnen."

So alt der Text auch ist, so bleibt er doch gültig, ja aktuell, beispielsweise der Satz "Die weite Welt überall unter dem Himmel als sein Heim betrachten": Hier geht der Blick und die Verantwortung hinaus über enge nationale Grenzen. "Seine Kräfte, wenn man ein öffentliches Amt innehat, zum Wohl des Volkes einsetzen": Brennend aktuell angesichts der vielen Fälle von Korruption und Selbstbedienung. Mencius glaubte, dass die Regierungsmacht dem Herrscher vom Himmel (Tien) übertragen werde und im Interesse der einfachen Leute auszuüben sei. Er ist in seinen Kriterien für die Größe eines Menschen nicht weit entfernt von der Weisung Jesu. "Der Größte von euch soll euer Diener sein" (Mt 23,11).

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 50 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.12.2000

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