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Aus der Region

Superintendent Freiherr von Campemhausen zum "Dominus Jesus"

Ökumene

Ich bin Glied der Kirche des Wortes und wir nehmen die Worte der Menschen rechts und links von uns ernst. Wir, das sind die Evangelischen, die Christen, die aus einem anderen Gesangbuch singen. Ich nehme es sehr ernst, wenn uns von ernst zu nehmenden Partnern in der Ökumene gesagt wird, dass wir nicht Kirche im eigentlichen Sinn sind. Das war nicht gesagt in einem hitzigen Wortgefecht, war nicht gesagt nach dem dritten Glas Bier, es war gesagt von klugen Männern nach reichlicher Überlegung: "... nicht Kirche im eigentlichen Sinn" (Abschnitt IV, Nr. 17). Unter das heftig einsetzende Erstaunen mengt sich Befremden.

Gemeinsame Veranstaltungen mit anderen evangelischen Kirchen und auch katholischen Kirchen waren bislang selbstverständlich: Das gemeinsame Lesen der Heiligen Schrift gehört dazu. Gemeinsam feierten wir Gottesdienste, in denen wir um die Einheit der Christen beteten.

Tradition ist in Görlitz, dass der Kirchenkreis und das Dekanat die Kinder der Stadt gemeinsam zum Martinsfest einladen. Der ganze Markt ist gefüllt mit mehr als 1000 Kindern. Die meisten von ihnen sind ohne Konfession. Nach dem Martinsspiel wird mitten in der Stadt auf dem Marktplatz das Vaterunser gebetet. Der Superintendent spricht gemeinsam mit dem Dekan allen Gekommenen den Segen Gottes zu. Da soll einer zu dem anderen sagen: "... nicht Kirche im eigentlichen Sinn"?

Einmal im Jahr gibt es einen gemeinsamen Konvent der evangelischen und katholischen Pfarrer. Man kennt sich und man schätzt sich. Die Anrede "Bruder" und "Schwester" gehört dazu wie das Kaffeetrinken.

Auf einmal muss man sich gegenseitig fragen: "Wir bleiben doch zusammen?" "Darf ich noch Bruder sagen?" "Sind wir nur die Halbschwesterkirche oder nur die illegitimen Brüder?" Die zuversichtliche Unbefangenheit im Umgang miteinander gibt es nicht mehr. Wir müssen wieder neu anfangen.

Evangelische Christen in unseren östlichen Landen verstehen sich zuerst als Christenmenschen ihrer Ortsgemeinde zugehörig. Danach erst ist ihnen die evangelische Prägung wichtig. In einer Umgebung, in der achtzig Prozent Jesus, Mohammed und Moses kaum zu unterscheiden wissen, rückt man dichter zusammen. Feinheiten wie Abendmahlsverständnis und Amtsverständnis kennen vielleicht die Insider. Doch damit gewinnt man kein Herz für Jesus Christus. Meine Kinder werden in der Schule als Christen angefragt und nicht als konfessionell gebundene Menschen. Die Unterschiede zwischen den Kofessionen sind so wenig bekannt, dass glaubhaft versichert wird, dass Menschen aus der evangelischen Kirche austreten und diese Entscheidung mit dem Papst begründen. "Nicht Kirche im eigentlichen Sinn ..." heißt es dann in dem sperrigen Schreiben aus Rom.

Der Ruf der evangelischen Christen nach einem deutlichen Wort ihrer Kirche war nicht zu überhören. Das bekommen sie zu hören, und sie sagen es sich einander. Kein Wort gegen die römisch-katholische Kirche, aber immer für die Kirche des Wortes, die sich nicht von anderen sagen lässt, ob sie Kirche ist oder nicht.

Es ist ein Nebeneffekt für das protestantische Profil, das einigen flach und abgefahren schien. Es wird wieder geschärft. Die Tradition des regelmäßigen Umgangs mit der Heiligen Schrift und das Leben in der großen Freiheit in Christus wird bewusster gelebt. Eine selbstbewusste Kirche mit selbstbewussten Laien ist die evangelische Kirche und sie stellt dies gerade wieder fest.

Die Verunsicherung bei römisch-katholischen Gemeindegliedern ist groß: Wenn sich Gemeindeglieder, haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter von Kirche und Caritas bei evangelischen Christen entschuldigen wollen für etwas, was sie gar nicht zu verantworten haben. Vielleicht ist "Dominus Iesus" doch nur Symptom eines innerkatholischen Streites? Viele wollen, dass Partnerschaft auf gleicher Augenhöhe weitergelebt wird. Der Grund dazu ist gelegt in Christus. Auf ihn gründet sich die Kirche. Gemeinsam wollen wir Jesus nicht für je unsere Kirche vereinnahmen. Wir sollen uns von ihm vereinnahmen lassen.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 50 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.12.2000

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