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Aus der Region

Tagung der Kath. Akademien Dresden-Meissen, Erfurt und Magdburg

Bad Kösen

Bad Kösen - Für den freischaffenen Theologen Klaus Behner steht fest: Es gibt in der modernen Gesellschaft einen Bedarf für rituelle Handlungen außerhalb der Kirchen. Er mache die Erfahrung, dass Menschen anlässlich des Todes von Angehörigen, aber auch vor ihrer Eheschließung, bei Geburt eines Kindes oder vor einer Jugendfeier zu ihm kommen, um sich bei der Ausgestaltung und inneren Bewältigung dieser Ereignisse helfen zu lassen, berichtete Behner bei einer Tagung zum Thema "Überhöhung des Alltäglichen. Die Kraft des Rituellen in der säkularen und sakralen Wirklichkeit" in Bad Kösen.

Zu der Veranstaltung hatten vom 17. bis 19. November die Katholischen Akademien der Diözesen Dresden-Meißen, Erfurt und Magdeburg eingeladen. Ein solches gemeinsames Wochenende der drei Bildungseinrichtungen zu einem gesellschaftlich und / oder kirchlich relevanten Thema findet seit 1996 jährlich statt. Veranstaltungsort ist jeweils die Caritas-Heimvolkshochschule Konrad-Martin-Haus in Bad Kösen.

Klaus Behner begleitet und unterstützt im Rahmen seines Hamburger Instituts für Ritus, Fest und Feier gegen Bezahlung "Menschen in besonderen Lebenszeiten". Bei seinem Angebot gehe es ihm um die "Verstärkung und Bekräftigung des Erlebens", so Behner. Der studierte Theologe möchte Menschen außerhalb der Kirchen behilflich sein, mit Hilfe von Elementen alter Liturgien "auszubuchstabieren", was sie in ihrer Lebensgeschichte für wichtig halten, was sie empfinden und sich erhoffen. "Riten kann man nicht erfinden", ist der aus der Kirche ausgetretene 50-Jährige überzeugt und versteht sich deshalb nicht als "Ritendesigner".

Behner glaubt, dass es in der Gesellschaft hinsichtlich des Heiratens zunehmend den Wunsch nach mehr Feierlichkeit und Verbindlichkeit gibt und "Gags" wie etwa die Feier der Hochzeit auf der Insel Bali mit dort üblichen Hochzeitsriten als zu dürftig empfunden werden. Zum anderen macht er "ein tiefsitzendes menschliches Bedürfnis nach einem Mit-dem-Tod-vertraut-Werden, ihn akzeptieren Können", aus, was den Wunsch nach Ritualen bei Beerdigungen erkläre. Zwischen religiösen und säkularen Riten sieht der freischaffende Theologe keinen prinzipiellen Unterschied. Behner äußerte die Vermutung, die innerkirchliche Diskussion um das Angebot von Ritualen für der Kirche fern Stehende zeuge von der Unsicherheit über die Bestimmung der Inhalte selbst.

Menschen brauchen Rituale -dass diese in der säkularen Gesellschaft auch außerhalb der Kirchen gesucht (etwa beim Übergang zum Erwachsenenalter - Problemfeld Jugendweihe) und praktiziert werden, sieht der Berliner Publizist Konrad Weiß nicht so sehr als Bedrohung, sondern als Chance und Herausforderung für die großen Kirchen. "Die Kirchen sollten sich der Kraft der Riten bewusst sein und sehr behutsam bei der Modernisierung kirchlicher Liturgien" und anderer Angebote vorgehen, sagte Weiß in Bad Kösen.

Während der Publizist und katholische Christ bei seiner Argumentation vor allem die Identität kirchlichen Wirkens im Blick hatte und Vertrauen in die Kraft der über Jahrhunderte gewachsenen religiösen Riten anmahnte, stellte der Erfurter Liturgiewissenschaftler Benedikt Kranemann die Bedeutung von kirchlichen Angeboten im Vorfeld der klassischen religiösen Feiern heraus, beklagte jedoch, katholische Gemeinden würden "fast ausschließlich die Eucha-ristie feiern". Es fehle das nötige Bewusstsein, Menschen, denen die kirchliche Praxis fremd ist, einfache und verständliche Riten zum Mitfeiern anzubieten, so Kranemann. Wenn man den Glauben und das Hineinwachsen in den Glauben als etwas Prozesshaftes versteht, müsse man den Menschen einen unterschiedlichen Glaubensstand und folglich auch unterschiedliche Formen des Vollzugs zugestehen. In der alten Kirche sei es völlig normal gewesen, dass Menschen über Jahre hin in den Glauben hineingewachsen sind, ehe sie sich taufen ließen und die Eucharistie empfingen.

Im Unterschied zu säkularen Riten seien christliche Riten immer von der Heilszusage Gottes bestimmt, stellte Kranemann heraus. Säkulare Riten spielten sich nicht nur bei der Jugendweihe, sondern genauso auch im Fußballstadien ab. Nach Auffassung des Liturgiewissenschaftlers bleibt die katholische Kirche im Umgang mit Riten und Ritualen leider "hinter ihren Möglichkeiten zurück". Zeichen und Zeichenhandlungen etwa mit Kerzen oder Wasser würden "häufig stiefmütterlich behandelt. Wir starren zu sehr auf die Texte", so Kranemann nachdrücklich. Es mangele in den Gemeinden und unter den Hauptamtlichen an ästhetischer Kompetenz, zumal sich zu wenig mit der Gegenwartskultur auseinandergesetzt werde. Andererseits sei durchaus ein Interesse an christlichen Riten festzustellen. Kranemann zählte eine Reihe von kirchlichen Versuchen auf, bei denen mit Erfolg auf der Kirche fern Stehende zugegangen werde. So seien das Erfurter Weihnachtslob, aber auch die Segnung von Menschen, die partnerschaftlich unterwegs sind, am Valentinstag in Erfurt, ein Stadtgebet im Ruhrgebiet oder die mystischen Nächte für Jugendliche Formen, die Anklang finden und bei denen die Kirche als Kirche erkennbar bleibe. Dies gelte auch für die in Erfurt praktizierte Feier der Lebenswende für Jugendliche im Übergang zum Erwachsenenalter.

Konrad Weiß hingegen hält es für "problematisch, dass die Kirche so etwas wie die Feier der Lebenswende für Jugendliche macht". Vorbereitung und Feier sollen nicht von einem Pfarrer, sondern einem Verein engagierter Christen ausgerichtet werden, da bei einem solchen Angebot "der Adressat nicht klar ist", so der katholische Christ. Weiß: "Kirche ist kein Dienstleistungsunternehmen, sondern eine Gemeinschaft. Ich darf sie nicht benutzen wollen, ohne mich in sie hineinzustellen." Für Benedikt Kranemann ist es dennoch Aufgabe der Kirche, "Vorhöfe" für Menschen zu schaffen, die bislang keinen Zugang zu Kirche gefunden haben. Es müsse allerdings deutlich sein, "wozu der Vorhof gehört".

Der Leiter des Weimarer Goethe-Instituts, Konrad Paul, der ebenfalls an der Tagung teilnahm, kritisierte, Kirche sei in der Gefahr "alles, was nur irgendwie sperrig ist, aus dem Weg zu räumen". Es sei nicht gut zu meinen, auf die heutigen Menschen soweit zugehen zu müssen, dass da "kein Geheimnis mehr bleibt". Mit dem Angebot etwa einer Lebenswendefeier sei die Kirche in der Gefahr, "Religionsersatz" zu bieten.

Zu Beginn der Tagung hatte Professor Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz von der Philosophischen Fakultät der Technischen Universität Dresden "einen Überblick auf die anthropologischen Grundlagen von Riten" unternommen. Quintessenz: Riten gehören wesensmäßig zum Menschsein. Der Mensch braucht sie aufgrund seines weltoffen und unbehaust Seins. Seine anthropologische Offenheit nötige den Menschen, Riten und Kultur zu entwickeln, "in denen wir zum Sinn unseres Daseins finden", so Gerl-Falkovitz.

Für Manfred Schnelle, Tänzer und Choreograph aus Dresden, kommt es entscheidend darauf an, Leib und Seele in Einklang zu bringen und im rituellen Vollzug die leibliche Dimension angemessen und ausdrucksintensiv zum Zuge kommen zu lassen. Gottesdienst ist nicht nur Wortgeschehen, sondern brauche die ästhetische Dimension. "Der Leib ist die Seele. Glaubenshaltung ist Leibeshaltung", so Schnelle. Der Choreograph und Tänzer regte an, den Umgang mit Blumen, mit Texten, mit Haltungen, mit Spiel und Tanz für den Gottesdienst regelrecht zu üben, damit Ritual und Liturgie zu einer Kraft spendenden und erfüllenden Überhöhung des Alltäglichen werden können.

Eckhard Pohl

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 50 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.12.2000

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