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Bistum Magdeburg

Marien-Gemeinde ist 150 Jahre alt

Torgau

Torgau - Die Torgauer Kirche füllt sich am Abend des 21. November mit Menschen, in der Sakristei herrscht Hektik, der Chor hat sich schon auf der Empore postiert. Ein Fest soll gefeiert werden, das Fest einer katholischen Gemeinde, die vor 150 Jahren an jenem Tag mit der Ankunft des ersten, aus Paderborn geschickten Priesters begann. Die Torgauer Katholiken sind stolz auf ihre Geschichte.

In seinen Ausführungen konnte der Gastprediger, Pfarrer Georg Hauke (86) einige Stationen davon erzählerisch vergegenwärtigen. Will man ein richtiges Bild vom katholischen Neuanfang bekommen, muss man sich einen feuchtkalten Novemberabend vorstellen, an dem der fremde Geistliche wie die heilige Familie in verschiedenen Häusern um Aufnahme bittet. Schließlich landete der Neuankömmling im Haus der Freimaurerloge, wo ein günstiges Zimmer angeboten wurde. Die Katholiken, zu denen er sich durchfragte, zählten ebenfalls zu den Zugereisten: Wanderarbeiter, Beamte, Militärangehörige, Ausländer. Das erste kleine Kirchlein, das bald entstand, wurde der "Muttergottes vom Sieg" (Rosenkranzkönigin) geweiht. Es muss damals eine gewisse Aufbruchstimmung geherrscht haben. Als 1870 sogar Ordensschwestern in das Gebäude neben der Kirche einzogen, zeigte sich klar, dass in Torgau katholisches Gemeindeleben im Entstehen war. Die Chronik berichtet ausführlich über den Kampf mit den preußischen Behörden um die Anerkennung einer katholischen Schule. Einmal, im Jahre 1912, veranstaltete der katholische Männerverein anlässlich einer Fahnenweihe sogar so etwas wie eine Prozession durch die Innenstadt. Nach der Zeit der Auseinandersetzung wurde das wie ein Sieg betrachtet.

Die Kirche hatte damals schon einen anderen Namen. Nachdem das erste Gebäude samt Schwesternhaus und Kinderheim in einer tragischen Nacht 1906 abgebrannt ist, baute man neu. Im Gedenken an die Toten wählten die Torgauer Katholiken nun den Namen "Mater Dolorosa" (Mutter der Schmerzen).

Den vielen Flüchtlingen und Heimatvertriebenen, die sich 1945 auf dem Torgauer Bahnhof aus den Zügen drängten, wird dieser Name viel gesagt haben. Pfarrer Hauke hat diese Zeit schon als Seelsorger miterlebt. Er spricht von einer großen Zeit: Die Kirche war brechend voll, trotz aller Not. Hier suchten Tausende heimatloser Menschen Kraft, Halt und Gemeinschaft. Die Zeiten haben sich geändert. Trotz allem gibt es heute eine lebendige katholische Gemeinde mit Kindern und Jugend, Familienkreisen, KAB-Gruppe, Chor und Caritas, aktiven Senioren, vielen Mitverantwortlichen und vielen betenden Menschen. Dechant Edmund Stehr, dem Pfarrer von Torgau, lag es sehr am Herzen, dies bei der Eröffnung des Festgottesdienstes zu betonen. Genauso forderte er, den Blick nicht nur zurück, sondern vor allem in die Zukunft zu richten: "Als Kirche sind wir für andere da! Ich denke, dass es auch in unserer Zeit viele Menschen gibt, die nach dem Sinn des Lebens suchen." Ein kleines Bäumchen wurde anlässlich des Festes gepflanzt, es soll eine Art Hoffnungsbaum sein, der künftigen Generationen von Christen Schatten spenden wird. Jetzt steht der Baum auf der Rasenfläche vor dem Gemeindehaus, dort wo der Weg zum Kindergarten der Gemeinde entlang führt. Nach der langen Zeit im Topf einer Baumschule versucht er nun, seine Wurzeln auszustrecken und tief in die Erde zu treiben. Ein Bild für die Gemeinde der Zukunft: Verwurzeln und verwurzelt bleiben in Gott - und lebendige Frucht bringen.

Vikar Ronald Kudla

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 50 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 10.12.2000

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