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Auf zwei Minuten

Ausbrechen, Aufbrechen und Abenteuer

Pater Damian

Pater Damian MeyerGebet der Wildgeiß: "Herr, lass mich leben nach meiner Fantasie! Ich brauche ein wenig wilde Freiheit, ein wenig Taumel im Herzen und diesen fremden Geschmack von unbekannten Blumen. Für wen wären deine Berge und dieser Wind von Schnee und von Quellen? Die Schafe verstehen nichts! Sie rupfen, sie rupfen alle und allzeit im selben Sinn, und käuen dann endlos wieder ihre geschmacklose Gewohnheit ... Ich, ich will springen inmitten deiner Schöpfungen, über deine Abgründe hinweg, und, das Maul voll Kräuter ohne Namen, erschauern vor abenteuerlicher Freude auf dem Gipfel deiner Welt" (Carmen Bernos de Gasztold).

Dieses erfrischende Gebet führt aus der Enge des Alltags in die Weiten von Gottes Schöpfung und eröffnet neueDimensionen. Für die meisten Menschen - wenn auch je nach Beruf und Einkommen verschieden - ist der Tag in einen festen Rahmen eingespannt. Sie stehen am Morgen zu einer bestimmten Zeit auf, legen sich abends zur bestimmten Zeit schlafen, arbeiten acht Stunden, haben bestimmte Essgewohnheiten, lesen ihre Zeitung, schauen ihr Lieblingsprogramm im Fernsehen, treffen meistens dieselben Leute der Nachbarschaft, besuchen ihre Stammkneipe ... Am Wochenende sieht der Tagesablauf anders aus, aber weist meistens keine großen Variationen auf. Und die Unterbrechung des Tagesablaufs im Urlaub nimmt oft auch wieder sehr feste Formen an.

Feste Formen und Abläufe, Sitten und Bräuche, bewährte Gewohnheiten sind für uns wichtig und erleichtern das Leben. Sie können aber auch zu einem einschnürenden Korsett werden, das keinen Raum lässt für Überraschungen und Abenteuer, für Ausbrüche und Aufbrüche in Neuland. Anders denken und handeln, neue Wege gehen - das erfordert Anstrengung und Mut und Offenheit. Das Abenteuer besteht nicht im Wechsel zu einer neuen Zigarettenmarke oder einem neuen Waschpulver oder einer bestimmten Automarke, wie die Werbung uns verspricht. Die größten Abenteuer sind die Abenteuer des Geistes: Sie bestehen im Umdenken und in der Umkehr des Herzens. Die Adventszeit soll uns darauf vorbereiten, Größeres und Neues in unserem Alltag zu erwarten als den üblichen Ablauf. Dazu müssen Geist und das Herz bereitet werden. Wir müssen offen für den Weg Gottes werden, den er uns am Weihnachtsfest in der Geburt Jesu zeigt. Gott zeigt in der Geburt seines Sohnes, ja, in der Geburt jedes Kindes, dass er das Vertrauen in den Menschen nicht verloren hat. Es bleibt Raum für Hoffnung auf mehr Menschlichkeit, auf Frieden und Liebe. Wir sind nicht hoffnungslos gefangen und gebunden, sondern fähig zu neuen Aufbrüchen.

Pater Damian Meyer

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 51 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.12.2000

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