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Aus der Region

"Wir hoffen, dass eine Sanierung gelingt"

Kolping Bildungswerk Sachsen

Am 1. Dezember hat das Amtsgericht Leipzig das Insolvenzverfahren für das Kolping-Bildungswerk Sachsen eröffnet. Wegen Zahlungsunfähigkeit hatte das Bildungswerk Anfang Oktober einen entsprechenden Antrag gestellt. Der Tag des Herrn fragte Pfarrer Rudolf Birner (Präses des Kolping-Diözesanverbandes Dresden-Meißen und somit Mitglied im Vorstand des Bildungswerkes) und Pfarrer Udo Jäkel (Präses des Görlitzer Diözesanverbandes und Sprecher des Vorstandes) nach ihrer Einschätzung der Situation:

Frage: Das Insolvenzverfahren ist eröffnet. Was bedeutet das konkret für die Arbeit des Kolping-Bildungswerkes?

Jäkel: Das Gericht hat einen Insolvenzverwalter eingesetzt. Er trägt nun die Verantwortung, hat eine neue Geschäftsleitung eingesetzt und soll einen Sanierungsplan mit dem Ziel aufstellen, dass die Gläubiger befriedigt werden und ein sanierter Betrieb die Arbeit fortsetzen kann. In den Einrichtungen - es sind etwa 1200 Mitarbeiter an rund 70 Standorten tätig - geht die Arbeit momentan weiter.

Frage: Wird eine Sanierung gelingen oder droht das endgültige Aus?

Birner: Wir hoffen, dass wir im gemeinnützigen Bereich, dass heißt in der Hauptsache als Träger von Bildungsmaßnahmen, unsere Arbeit fortsetzen können. Hier sind wir mit jährlich etwa 10 000 Teilnehmern einer der größten Träger in der Region. Ein Aus wäre ein gesellschaftliches Fiasko. In den gewerblichen Bereichen wird es sicher Einschnitte geben.

Jäkel: Wir sind sehr interessiert, dass das Verfahren zügig zu Ende geführt wird. Nach Möglichkeit sollte bis zum Frühjahr, wenn es um die Neuverteilung der Bildungsmaßnahmen geht, eine Einigung erzielt sein. Wir hoffen, dass alle Verantwortlichen sich bewusst sind, dass eine schnelle und vernünftige Lösung - selbstverständlich auch für die Gläubiger - in gesellschaftlichem Interesse ist.

Frage: In welche Richtung sind Lösungen denkbar?

Birner: Wir gehen davon aus, dass das Kolping-Bildungswerk Sachsen bestehen bleibt. Notwendig sind gezielte Sparmaßnahmen. Und natürlich müssen die Probleme gelöst werden, die in die jetzige Situation geführt haben. Das sind die enormen finanziellen Mittel im Zusammenhang mit Bauschäden und die zwischen uns und dem Sächsischen Kultusministeriums strittigen ausstehenden Zuschüsse.

Jäkel: Eine Lösung ist nur möglich, wenn einerseits die Gläubiger befriedigt werden und andererseits wieder Liquidität hergestellt wird. Die Summe, die für letzteres nötig wäre, entspricht genau der Summe aus den Forderungen hinsichtlich der Bauschäden und gegenüber dem Kultusministerium.

Die 180 Millionen Mark Schulden, von denen in der Öffentlichkeit die Rede ist, sind nicht ganz zutreffend, denn sie beinhaltet auch alle Eventual-Forderungen, die etwa durch Schadensersatzansprüche auf das Bildungswerk zukommen könnten. Es geht gegenwärtig um eine Summe von knapp 100 Millionen Mark.

Frage: Wird es im Zusammenhang mit einer Sanierung Entlassungen geben?

Jäkel: Nach dem heutigen Stand der Sanierungsabsichten sind personell nur geringfügige Einschnitte notwendig. Dramatisch wird es, wenn eine Sanierung scheitert.

Frage: Bei der Frage nach den Gründen für die gegenwärtige Situation stehen ja nicht die gemeinnützigen Teile des Bildungswerkes im Vordergrund, sondern die gewerblichen. Warum hat das Kolping-Bildungswerk sich in dieser Richtung so stark engagiert?

Birner: Zunächst ein Blick auf die Relationen: 95 Prozent des Kolping-Bildungswerkes sind gemeinnützig und nur fünf Prozent gewerblich. Die Antwort ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte: In unseren Ausbildungsstätten wurden Dinge produziert, die wir ja nicht wegwerfen oder nur verschenken konnten. Wir haben dann gesagt, wir müssen sie vermarkten. Dazu mussten wir aber ein Gewerbe betreiben. Ein anderes Beispiel: Warum sollten wir Zimmer, die in den Lehrlingswohnheimen leer stehen, nicht anderweitig vermieten? Das Ziel der gewerblichen Einrichtungen war immer, dass die Einkünfte dem Ganzen dienen. Gemeinnütziges und Gewerbliches haben wir aber deutlich getrennt, um die Gemeinnützigkeit nicht zu gefährden.

Jäkel: In der Öffentlichkeit wird der gewerbliche Teil immer so dargestellt, dass er ausgeufert sei und uns ins Unglück gestürzt habe. Wie eben erklärt, steht ein Teil unserer gewerblichen Einrichtungen in Beziehung zur Ausbildung. Ein anderer Teil ist mit dem Wachstum des Bildungswerkes entstanden. Ein Unternehmen von unserer Größe braucht bestimmte Abteilungen, wir haben sie zu GmbH's gemacht. Ein Beispiel ist die Werbung: Auch gemeinnützige Einrichtungen brauchen heute eine aktive Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Wir haben dafür die Kolping ConCept GmbH gegründet. Alle Defizite dieser Gesellschaft eingerechnet, hat das Kolping-Bildungswerk etwa ein Prozent für Werbung ausgegeben. Das liegt deutlich unter dem sonst Üblichen.

Alle gewerblichen Aktivitäten waren sinnvoll und notwendig und sollten unserem Grundgedanken dienen. Im Zusammenhang mit einer Sanierung wird es hier sicher Veränderungen geben. Aber das pauschale negative Urteil ist verfehlt, vor allem dann, wenn der Eindruck erweckt wird, wir hätten uns aus Geldgier in irgendwelche Abenteuer gestürzt.

Frage: Wo sehen Sie die Ursachen für die jetzige Situation?

Jäkel: Das Kolping-Bildungswerk hat eine Phase sehr schnellen Wachstums hinter sich. Das Tempo des Wachstums war aber nicht dem Übermut geschuldet, sondern den Erwartungen, die an uns herangetragen wurden. Zum anderen hatten wir nach dem Ende der DDR-Zeit auch das Bedürfnis, einiges nachzuholen, was bis dahin nicht möglich war. Schnelles Wachstum bringt aber eine enge Liquidität mit sich.

Birner: Das Kolping-Bildungswerk hat seine Arbeit ja schon vor der deutschen Einheit aufgenommen. Wie war das damals? Betriebe gingen den Bach runter. Lehrlinge standen plötzlich auf der Straße. Und wir wurden immer wieder gefragt: Könnt ihr nicht helfen? Wir standen unter gewissen gesellschaftlichen Zwängen. Die Zeit damals war eine große Herausforderung. Wir haben versucht zu reagieren. Um der Sache willen würde ich auch heute sagen: Wir mussten uns diesen Herausforderungen stellen.

Frage: In der Öffentlichkeit werden Anschuldigungen gegen die Geschäftsführung erhoben: Von Managment-Fehlern und Schönrechnerei ist die Rede, sogar von Konkursverschleppung ...

Jäkel: Sicher haben wir alle Fehler gemacht. Trotz aller Probleme danken wir den bisherigen Geschäftsführern für ihre verantwortungsvolle Zusammenarbeit mit dem Vorstand. Die Probleme sind in erheblichem Maß schon in der Zeit vor der Insolvenz angefasst worden. In einzelnen Bereichen hat es strukturelle und personelle Veränderungen gegeben. Was die Sanierung betrifft, waren wir eigentlich aus dem Gröbsten heraus. Nur die Liquidität war noch nicht wieder vorhanden.

Birner: Was den Vorwurf Konkursverschleppung betrifft, ist das Gegenteil der Fall: Wir haben die Insolvenz beizeiten angekündigt, um diesem Vorwurf zu entgehen.

Frage: In den letzten Wochen haben sich Mitarbeiter, Auszubildende und Kolping-Mitglieder in den Gemeinden über mangelnde Information beklagt ...

Jäkel: Hier möchte ich ausdrücklich um Verständnis bitten. Im letzten Vierteljahr haben wir permanent mit Gläubigern, Banken und vielen anderen Stellen verhandelt. Innerhalb weniger Stunden hat sich manchmal eine völlig neue Situation ergeben. Es hat nur wenige Punkte gegeben, an denen wir etwas öffentlich sagen konnten. Es ging auf keinen Fall um Geheimniskrämerei oder darum, dass wir nicht daran gedacht hätten, dass vor allem unsere Mitarbeiter beunruhigt sind.

Frage: Sie sprachen von der großen gesellschaftlichen Bedeutung des Bildungswerkes. Welche Wünsche haben Sie an die politisch Verantwortlichen?

Jäkel: Der Freistaat Sachsen steht uns positiv gegenüber. Auch von der Landesarbeitsanstalt wurde uns große Wertschätzung signalisiert. Wir hoffen, dass der Freistaat uns nach seinen Möglichkeiten hilft. Wir wissen, dass Entscheidungsprozesse laufen. Wir wissen auch, dass das seine Zeit braucht.

Frage: Und welche Unterstützung kann die Kirche geben?

Birner: Hier müssen wir klar sagen: Das Kolping-Bildungswerk steht der katholischen Kirche nahe, ist aber kein Bestandteil der offiziellen Kirche. Dennoch haben wir durch unseren Bischof Joachim Reinelt im Rahmen seiner Möglichkeiten schon immer große Unterstützung erfahren.

Frage: Wie schätzen Sie den Image-Schaden für das Kolpingwerk ein, der durch die jetzige Situation entstanden ist?

Birner: Diese Frage ist für mich gegenwärtig eines der großen Probleme: Wie können wir bei allen notwendigen Veränderungen die Idee Kolpings erhalten? Das Kolping-Bildungswerk ist eine Einrichtung der Diözesanverbände des Kolpingwerkes Dresden-Meißen, Görlitz und Berlin. Der Verband und seine Mitglieder sind es, die das Bildungswerk tragen. Das darf auf keinen Fall wegrationalisiert werden.

Jäkel: Ich habe immer wieder festgestellt, wie viel von den Ideen Kolpings in unseren Einrichtungen lebendig ist. Und diese Ideen wurden auch von Menschen angenommen und vertreten, die der Kirche fern stehen. Würde das Kolping-Bildungswerk jetzt scheitern, wäre das doppelt bedauerlich: Vermögenswerte zu verlieren, ist nicht angenehm, aber das könnte man letztlich verschmerzen. Viel schlimmer wäre es, wenn die Menschen, die in unseren Einrichtungen arbeiten, die sich mit unseren Ideen identifizieren, die in ihrer Arbeit einen Sinn gesehen haben, jetzt enttäuscht werden. Wenn uns das aus der Hand geschlagen würde, wäre das nicht wieder gut zu machen.

Fragen: Matthias Holluba

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 51 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.12.2000

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