Schenken-wie geht das?
Katholisches Forum Erfurt
Erfurt (mh) - Wie war das doch damals? Die Familie hatte sich in der Stube vor Christbaum und Krippe versammelt, um singend und betend die Feier des Heiligen Abends zu beginnen. Doch für den kleinen Jungen war die Andacht schnell vorbei: Unter der Decke, die über die Weihnachtsgeschenke gebreitet war, lugte der Lenker eines Holzrollers hervor. Ein Geschenk, auf das er sich lange gefreut hatte. "Und die Andacht war dahin", gesteht er heute.
Der Erfurter Bischof Joachim Wanke erzählt diese Kindheitserinnerung und sitzt dabei zwischen Hüten und Jacken, Schuhen und Mänteln im Karstadt-Kaufhaus in der Erfurter Innenstadt. Dorthin hatte das Katholische Forum Thüringen in Zusammenarbeit mit dem Kaufhaus zu einem Abend über das Schenken eingeladen. Das Kaufhaus - nach der Umgestaltung ein Musterbeispiel moderner Kaufhauskonzeption und dazu noch in unmittelbarer Nähe zum Ursulinenkloster gelegen -, bot sich als Veranstaltungsort für ein solches Thema gerade in den vorweihnachtlichen Tagen an.
"Zwischen Kloster und Kirche: Schenken und Beschenken lassen" hieß der Abend, in den Hubertus Staudacher vom katholischen Forum mit der Frage einführte: "Müssen wir das Schenken neu lernen?" Es scheine, als ob mit wachsendem Wohlstand und mit den fast unbegrenzten Möglichkeiten des Konsums, die Fähigkeit, Wünsche zu erfühlen, abhanden gekomme sei.
Wer von den Teilnehmern auf diesem Hintergrund pauschale Wohlstands- und Konsumkritik erwartet hatte, den enttäuschte Bischof Wanke: Im Gegenteil, gestand er, er sei auch in dieser Richtung froh über das, was die Wende mit sich gebracht habe. Mahnende Worte fand er dennoch: Es gelte sich von der Fülle des Angebots nicht überwältigen zu lassen, sondern sie zu gestalten. Und dafür hatte er dann auch einige ganz konkrete Tipps: Schenken müsse ein Signal an den anderen sein, das ihm sage: Es ist gut, dass es dich gibt. Oder: Wirkliche Geschenke müssten den Hauch der Zweckfreiheit haben. Und schließlich erinnerte der Bischof an das Gleichnis im Neuen Testament, in dem die arme Witwe ihre beiden letzten Silberlinge gibt. "Unsere Kultur des Schenkens kann davon etwas lernen." Geschenke als versteckte Machtausübung - "Du stehst jetzt in meiner Schuld" - kritisierte er ebenso wie Schenken als Ersatzhandlung - "Statt Zuwendung gibt es den Pokemon, statt Zeit einen eigenen Fernseher."
Als Ursache für die Probleme, die der heutige Mensch mit dem Schenken hat, skizzierte Christel Köhle-Hezinger, Volkskundlerin an der Universität Jena, vor allem eine "ungeheure Überforderung". Im Vergleich zu früheren Zeiten seien den Menschen heute die Kontraste abhanden gekommen: Wechselten sich einst Zeiten des Fastens und Zeiten der Fülle ab, so gelte heute: "Immer alles überall". Die Lösung, so Köhle-Hezinger, liege aber nicht im Bedauern oder dem Versuch, diese Zeiten zurückzuholen. "Es hilft nur die Reduzierung."
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 17.12.2000