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Bistum Erfurt

Asylbewerber verdienen Gastfreundschaft

Christen engagieren sich in Eisenach für eine menschenwürdigere Welt

Beratung beim Eierkauf im Eisenach (ep) - Nach einem Abend im Februar zum Thema Afrika stand für die Mitglieder des Eisenacher Eine Welt Vereins fest: Wir müssen etwas für die in unserer Stadt lebenden Asylbewerber tun. Denn das, was einer der eingeladenen Männer aus Kamerun erzählte, "ging den Zuhörern unter die Haut".
Dabei hatte die Veranstaltung wie auch in den letzten Jahren über Indonesien und Brasilien unterhaltsam, gesellig und informativ werden sollen. Neben Berichten sollten Dias gezeigt, kulinarische Kostproben geboten und auch Trommelmusik zu Gehör gebracht werden. Doch daraus wurde diesmal nichts, wie Clemens Roschka, Gründungsmitglied des Vereins erzählt.
Seidou Njoya aus dem Eisenacher Asylbewerberheim, der gemeinsam mit vier Landsleuten sowie einem Maler aus Togo zu dem Abend eingeladen war, berichtete von der politischen Situation in seiner Heimat Kamerun: Clanwirtschaft und Korruption, Stammesfürsten, die willkürlich über Leben und Tod entscheiden, kriegerische Auseinandersetzungen, damit einige Wenige noch reicher werden. Wer sich nicht konform zur herrschenden Partei verhält, ist vogelfrei. Wie andere Kameruner auch, sei er mit vielen Träumen nach Deutschland gekommen, sagte Njoya. Doch diese Träume seien inzwischen der Angst vor Abschiebung gewichen, die Inhaftierung oder gar Ermordung nach sich ziehen würde. -
"Die Hoffnungslosigkeit der Afrikaner war förmlich zu greifen", so Clemens Roschka, der das Caritas-Altenpflegeheim in Eisenach leitet. Nur einmal, als die Afrikaner den etwa 50 Teilnehmern mit Trommeln und Tanz eine Kostprobe afrikanischer Musik gaben, sei ein Anflug von Entspannung auf ihren Gesichtern zu sehen gewesen. "Was uns Seidou Njoya erzählt hatte, ging uns unter die Haut", sagt auch Vereins-Gründungsmitglied Wolfgang Pfüller. Clemens Roschka ergänzt: "Es ging nicht mehr um einen faszinierenden Kontinent, der Afrika zweifellos ist. Es ging um Menschen in unserer Stadt, die keine Kraft mehr haben, zu hoffen."

So wurde von Vereinsmitgliedern und Veranstaltungsteilnehmern noch am selben Abend der Vorsatz gefasst, nach Möglichkeiten zu suchen, den derzeit in der Wartburgstadt lebenden Asylbewerbern etwas mehr menschlichen Beistand als bisher anzubieten. Inzwischen haben zwei Folgetreffen mit Interessierten stattgefunden. Ideen gibt es genug: Der Verein will für die Asylbewerber einen Deutschkurs an der Volkshochschule bezahlen, um die Sprachbarrieren zu mindern. Doch bisher gibt es nicht genügend Interessenten. Auch die Suche nach möglichen ehrenamtlichen Deutschlehrern wurde aufgenommen. Durch entsprechende Aushänge im Asylbewerberheim laden die Kirchengemeinden zu ihren regulären Veranstaltungen ein. Eine Volleyballgruppe soll aufgestellt werden, doch es fehlt bislang an genügend Mitspielern. Problematisch auf ein größeres Intersse an den Angeboten wirken sich Spannungen zwischen den verschiedenen volks- und religiösen Gruppen unter den Asylbewerbern aus, sagt Roschka. Da müsse erst etwas wachsen.

Der Verein wünscht sich, dass mehr Eisenacher auf die Situation der Asylbewerber und der Menschen in den Ländern, aus denen sie kommen, aufmerksam werden. Dies solle nicht zuletzt durch unterschiedlichste Formen der Bildungsarbeit geschehen, wie der evangelische Pfarrer Pfüller sagt. Für derartige Veranstaltungen gebe es durchaus Interesse, etwa in Schulen im Rahmen von Ethik- und Religionsunterricht sowie Projekttagen. Und eine entsprechende Sensibilisierung bereits der Schüler für die Menschen in der einen Welt tue Not. Dies habe nicht zuletzt der Afrikaabend deutlich gemacht. Doch bisher fehlt es dem Verein an einer geeigneten Person, die diese Aufgabe etwa als ABM übernehmen könnte.

Um auf die Lage der Menschen in der einen Welt aufmerksam zu machen, gibt es in Eisenach seit 1996 den "Markt der Völker". Ursula Bauer und weitere 13 Ehrenamtliche und sieben Ersatzleute bieten hier Waren aus gerechtem Handel an und stehen Interessierten Rede und Antwort. Flagge zeigt der Eine Welt Verein auch regelmäßig in den Kirchengemeinden. Dabei kommt es dem Verein darauf an, nicht nur Waren zu verkaufen, sondern auch etwa im Gottesdienst Informationen zu geben. Im vergangenen Jahr nahm der Verein am Aktionstag "Mobil ohne Auto" teil. Hintergrund: Die Menschen in Afrika sind zwar kaum schuld am sich vergrößernden Ozonloch, doch die Klimaveränderungen bekommen sie durchaus zu spüren.

"Den Asylbewerbern in unserer Stadt, ob sie nun asylberechtigt sind oder nicht, wollen wir wenigstens ein Minimum an Gastfreundschaft anbieten", sagt Roschka. Er sei sehr traurig darüber, dass dies von offizieller Seite in Deutschland offensichtlich nicht gewünscht sei. Als Beleg führt er an, dass Menschen aus dem Kosovo noch kurze Zeit vor den Bombardierungen in ihre Heimat zurückgeschickt worden seien. Und dies, obwohl Caritas und Diakonie die Behörden auf die Menschenrechtssituation im Kosovo aufmerksam gemacht hätten, wie Roswitha Weißschnur, die ebenfalls zum Eine Welt Verein gehört, weiß.

"Es geht nicht darum, den Leuten alle Wünsche zu erfüllen", sagt Roschka. "Dennoch haben sie ein Recht darauf, menschenwürdig behandelt zu werden." Dass manche Asylbewerber etwa durch Rauschgifthandel kriminell werden, will Roschka nicht beschönigen, gibt jedoch zu bedenken: "Wenn junge Leute keiner sinnvollen Tätigkeit nachgehen können und man bietet ihnen Gelegenheit, durch Rauschgifthandel Geld zu verdienen, werden das auch Deutsche tun." Deshalb versuche der Eine Welt Verein, für die Asylbewerber ehrenamtliche Arbeit zu beschaffen. Eine regelmäßige Tätigkeit könne schließlich helfen, den Tag zu strukturieren.

Auf die Frage, warum er sich für Menschen in Afrika und die Asylbewerber in Eisenach einsetzt, sagt Roschka: "Es ist nicht mein Verdienst, dass ich hier geboren bin." Und Roswitha Weißschnur ergänzt: "Ich will deshalb etwas für Menschen tun, denen es schlechter geht, und so einen kleinen Beitrag in Richtung Entwicklungspolitik leisten." Nicht zuletzt der Abend zum Thema Afrika habe die Mitglieder des Vereins erneut angespornt, etwas für ein menschenwürdiges Leben aller in der einen Welt zu tun.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 15 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.04.2001

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