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Bistum Erfurt

Damit Kinder die Trennung ihrer Eltern verkraften

Erfurt

Erfurt (ep) - "Ich habe gelernt, dass sich meine Eltern zwar getrennt haben, aber noch immer meine Mama und mein Papa sind und dass ich nicht so traurig sein muss, weil mein Papa zu Hause ausgezogen ist." - "Ich mag nicht, dass ich manchmal zur Freundin von Papa muss." - "Ich wünsche mir, dass es Mama besser geht." Einsichten, Sorgen und Wünsche von Acht bis Elfjährigen, die von November 1999 bis Juni 2000 an einem therapeutischen Gruppenangebot für Trennungs- und Scheidungskinder in Erfurt teilgenommen und kürzlich noch einmal Rückblick gehalten haben. Zu dem Projekt hatte die Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EEFL) Erfurt eingeladen. Sechs Kinder - in diesem Fall alles Mädchen - waren Woche für Woche für eineinhalb Stunden im Erfurter Haus der Caritas in einem kindgerecht gestalteten, gemütlichen Raum zusammengekommen, um sich über ihre Situation auszutauschen, Informationen über Trennung und Scheidung zu bekommen, die eigene Position in der geteilten Familie zu finden und das Selbstbewusstsein zu stärken. Und auch die Eltern waren eingeladen: Die Mütter trafen sich an zwei Abenden, die Väter kamen einmal zusammen, um sich auszutauschen und über eine gute Gestaltung der Trennungs- oder Scheidungssituation für ihre Kinder nachzudenken.

"Trennung oder Scheidung der Eltern sind für Kinder höchstproblematisch", sagt der Leiter der EEFL Erfurt, Jörg Müller. "Kinder, die diese Situation durchleben, fühlen sich sehr isoliert und allein und haben das Gefühl, daran mit schuldig zu sein. Dieser Situation wollen wir mit unserem Angebot entgegenwirken."

"Kinder sprechen nicht gern über Schmerzhaftes", sagt Psychologin Sandra Mende, die gemeinsam mit Diplom-Pädagogin Gerhild Jirikowski das Projekt leitete. "Aber auf ganzheitliche und spielerische Weise, etwa im Rollenspiel, lassen sich Probleme und diffuse Gefühle ein gutes Stück weit aufarbeiten." Nachgespielt wurden Situationen wie ein Streit zwischen den Eltern, der Tag, als Pappa ausgezog, oder ein Besuchstag beim Papa. Frau Mende: "In dem die Kinder dabei ausdrückten, was sie bedrückt und empfunden haben, konnten wir mit ihnen Regeln erarbeiten, was das einzelne Kind selbst tun kann, damit es nicht unentwegt unter der Scheidungssituation leidet." Voraussetzung dafür war zunächst, dass die Kinder miteinander vertraut waren und ein Gefühl der Solidarität entstanden war, was jedes Mal auch in einem festen Abschiedsritual verdeutlicht wurde: "Wir drücken uns gegenseitig fest die Hände und wünschen uns gegenseitig Kraft."

"Viele der Kinder erleben weinende Mütter, traurige Väter, Streit. Und sie haben zum Beispiel das Gefühl, die Elternteile trösten zu müssen", sagt Frau Mende. "Sie ziehen sich angesichts der belastenden Familiensituation in sich selbst zurück, reagieren aggressiv oder mit Leistungsverweigerung, entwickeln Angst, beide Elternteile könnten sie verlassen, oder fangen an, ins Bett zu machen. Abhilfe bei solchen Alarmsignalen kann nur schaffen, dass sie sich klar machen, was sich in ihrem Unterbewussten abspielt." Denn Kinder können lernen, mit Trennung und Scheidung umzugehen, davon ist Frau Mende überzeugt.

Etwa auch, in dem sie sich bewusst machen, wie sie sich Familie eigentlich wünschen und dass sie mit der Situation in ihrer Familie schon als Kind etwas von den schwierigen Seiten des Lebens verstanden haben. Oder wenn sie erkennen, dass die Eltern ihre Probleme selbst lösen müssen und sie als Kinder da nicht helfen können. Frau Mende: "Wenn es den Kindern gelingt, Abstand zu den Problemen zu bekommen, fällt es ihnen auch später leichter zu sehen, dass ihre Situation nicht ein unentrinnbares Schicksal ist."

Dass die Situation auf Dauer für die Kinder gut lebbar ist, dazu müssen nicht zuletzt die getrennten Eltern beitragen: "Wie kann ich als Vater, Mutter, weiterhin meiner Elternrolle gerecht werden? Wie kann ich einen guten Blick für die Empfindungen meines Kindes entwickeln? Wie kann der besuchsweise Lebenswelt-Wechsel in die neue Umgebung des Vaters (der Mutter) für das Kind gut verkraftbar sein? Das waren Fragen, die sich bei den Elternabenden die Mütter und Väter stellten.

"Wir haben viel miteinander gespielt und geredet." - "Es war auch lustig." - "Ich habe gemerkt, dass es auch anderen Kindern so wie mir geht und dass man zu sich selbst halten muss." Erfahrungen, die Altersgenossen in ähnlicher Situation Mut machen können, ein solches Gruppenangebot wahrzunehmen.

Während in Suhl derzeit zwei Kurse für Kinder aus Trennungs-familien laufen, soll es im Janu-ar auch in Erfurt wieder ein An-gebot geben. Das Treffen der Acht- bis Zwölfjährigen wird mittwochs von 15 bis 16.30 Uhr stattfinden. Veranstaltungsort, weitere Infos und Anmeldung: Erziehungs-, Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle der Caritas, Regierungsstraße 55, Erfurt, Tel. (03 61) 5 55 33 70.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 52 des 50. Jahrgangs (im Jahr 2000).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 24.12.2000

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