Gute Nachbarschaft als Mission
Festakademie der Theologischen Fakultät Erfurt lud zum Nachdenken über Auftrag der Christen ein

Erfurt. Die spezifische Situation katholischer Christen in Mittel- und Ostdeutschland und ihr Auftrag waren Thema beim Patronatsfest der Theologischen Fakultät Erfurt. Zudem wurden rund 50 Studienanfänger immatrikuliert und ein Preis für eine herausragende Diplomarbeit verliehen.
Die besonderen Erfahrungen und der spezielle missionarische Auftrag der katholischen Christen im Osten Deutschlands standen im Mittelpunkt der Festakademie der Theologischen Fakultät Erfurt zum Patronatsfest Albertus Magnus am 15. November. "Glaube(n) in Nachbarschaft" hatte der Fundamentaltheologe Michael Gabel seinen Festvortrag überschrieben. Dabei stellte er heraus, wie sehr die Katholiken der Region von der Minderheitserfahrung geprägt und mit Migration (Vertreibung, Wegzug) konfrontiert waren und bis heute sind. Beide Aspekte hingen eng zusammen und führten zu einem besonderen Auftrag: "Missionarisch Kirche sein heißt für die katholische Kirche im Osten Deutschlands, bewusst und entschieden ihre Sendung in der doppelten Fremde anzunehmen und zu vollziehen."
Mit doppelter Fremde meint Gabel zum einen die Fremde beider Konfessionen unter vielen Nichtchristen. Als Kirche der Heimatvertriebenen und deren Kinder seien die Katholiken zudem jedoch auch anders (als Dazugekommene) in die ostdeutsche Gesellschaft integriert als ihre evangelischen Glaubensgeschwister und insofern als "Kirche der Fremden" doppelt fremd. "Zumindest auf dem Land wird diese Zuschreibung offen auch nach 60 Jahren und selbst dann noch vorgenommen, wenn die Eingesessenen bereits in der zweiten und dritten Generation nicht mehr getauft sind", so Professor Gabel, der auch Pfarrer im thüringischen Ichtershausen ist. "Wenn wir einmal von einer gelingenden Mission im großen Maßstab träumen", so der Fundamentaltheologe, "erfüllt mich angesichts der These des ungleichen Abstandes der Konfessionslosen zu den beiden Kirchen die bange Vermutung, als katholische Kirche in diesem Landstrich werden wir am Erfolg nicht in gleicher Weise partizipieren. Und ich frage mich, ob das schlimm ist."
Gabel sieht zwei missionarische Aufgaben: Beide Kirchen müssen sich auf "ihre Berufung zur Verkündigung Christi und die Vermittlung der Begegnung mit seiner Person", also auf ihre personale Mitte konzentrieren. Vor diesem Hintergrund könne dann "jede Kirche den Missionserfolg der anderen Kirche gelassen anerkennen. Denn wer zu Christus findet, findet auch zu seiner Kirche." Als zweites missionarisches Ziel macht Gabel "das unbedingte Streben" aus, "bei den Menschen dieser Gesellschaft zu sein". Das aber heiße, den vor 60 Jahren begonnenen Prozess der Integration in die ostdeutsche Gesellschaft unbeirrt fortzusetzen. Mit seinen Ausführungen nahm Gabel zugleich auf ein entsprechendes, neues Forschungsprojekt der Fakultät Bezug. Auch in diesem Jahr wurde wieder eine herausragende wissenschaftliche Arbeit prämiert. Den mit 500 Euro verbundenen Preis des Freundeskreises der Fakultät erhielt Doris Schubert aus Lutherstadt Wittenberg für ihre Diplomarbeit zum Thema "Theologische Reflexionen der Kriege in Kroatien und Bosnien und Herzegowina (1991-1995). Die Verkündigung der katholischen Kirche in den Wirren des Krieges".
Der für die Fakultät vor Ort verantwortliche Erfurter Bischof Joachim Wanke dankte dem Präsidenten der Universität, Professor Wolfgang Bergsdorf, und allen Mitstreitern, die das Hineinwachsen der katholischen Theologie in die Erfurter Alma Mater begleitet haben. Die vor fünf Jahren begonnene Integration sei gelungen, so Wanke. Zugleich rief der Bischof Lehrende und Studenten dazu auf, bei allen formalen Erfordernissen im Studium "zur Frage nach Gott durchzudringen". "Das Volk Gottes in unserer Region wartet auf Theologen, Seelsorger und Priester, die ihnen das Evangelium erschließen können." Theologisches Studium für Priesterkandidaten und Laienstudenten an der Fakultät und die Priesterausbildung der Seminaristen im Alumnat gehören zusammen, so der Bischof. "Ich bitte euch, mit Fantasie diese Gemeinschaft weiter zu fördern." Zuvor hatte Studentensprecherin Magdalena Kanthack beklagt, ein gutes Miteinander zwischen Seminaristen und Laienstudenten zu pflegen, werde immer schwieriger. Das Patronatsfest der Fakultät hatte am Morgen mit einer Eucharistiefeier unter Leitung des Berliner Erzbischofs Georg Kardinal Sterzinsky im Dom begonnen. Der Görlitzer Bischof Konrad Zdarsa erinnerte in seiner Predigt daran, wie eng für den Universalgelehrten Albertus Magnus der Empfang der Sakramente mit dem Austeilen dieser Heilszeichen verbunden war. Jeder Christ sei dazu aufgerufen, das Empfangene weiterzugeben.
Mit dem neuen Studienjahr haben 16 junge Leute im ersten Semester den Diplomstudiengang Theologie aufgenommen, unter ihnen vier Priesterkandidaten aus dem Bistum Dresden-Meißen und zwei aus dem Erzbistum Berlin. Weitere 20 junge Frauen und Männer wurden immatrikuliert, um im Bachelor-Studiengang Theologie im Haupt- oder (meist im) Nebenfach zu studieren. Weitere neun sind im Lehramtsstudium Religion gestartet. Je zwei haben den Studiengang Kirche und Kultur und einen Magisterstudiengang begonnen, zwei Studierende machen ihre Freisemster in Erfurt und fünf sind aus dem Ausland zu Gast an der Fakultät.
Mehr dazu: Professor Gabel: https://www.uni-erfurt.de/theol;
Tag des Herrn 44/2007 Seite 15
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 22.11.2007