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Anstoß

Ist Ihre Zunge schon verwelkt?

Pippi Langstrumpfs Frömmigkeit

Guido Erbrich

Nun ist er also schon wieder vorbei -der 100. Geburtstag von Astrid Lindgren. Die große alte Dame der Kinderliteratur hat eine Menge fromme Bücher geschrieben.

Fromme Bücher? Aber sicher! Sie schrieb Bücher, die schon den Kleinsten klar machen, dass es nichts Schöneres gibt als Mut, Ehrlichkeit und Freunde. Geschichten, die davon erzählen, dass es sich lohnt, für andere da zu sein. Ihre kleinen Helden fragen nicht nach Verdienst und danach, ob das alles etwas bringt. Diese Helden, fast immer sind es Kinder, geben sich nicht damit ab, dass die Welt so ist, wie sie ist. Für sie ist völlig klar: Dieser Welt liegt ein tieferer Sinn verborgen und er ist ganz einfach zu finden. Du musst nur richtig gucken!

Wir Erwachsenen sind da oft weniger fromm. Viele Dinge auf dieser Welt sind zwar ungerecht und falsch. Aber wir können wenig tun, sie zu verändern. Meist sogar gar nichts -meinen wir. Also schweigen wir Großen lieber.

Auf dieses Schweigen haben es Astrid Lindgrens Superstars abgesehen: Am meisten Pippi Langstrumpf, die sympathisch freche rothaarige und sommerbesprosste Göre aus Schweden. Ihr passt es gar nicht in den Kram, dass wir Großen den Mund so selten aufbekommen. "Ich will euch nur sagen, dass es gefährlich ist, zu lange zu schweigen. Die Zunge verwelkt, wenn man sie nicht braucht."

Pippi Langstrumpf hält sich eisern an diese Regel. Wo sie etwas Unrechtes sieht, macht sie ihren Mund auf. Nicht schimpfend und besser wissend, sondern mit dem Charme eines Kindes. Schließlich weiß sie ziemlich genau, wie die Welt aussehen müsste.

Die Welt wird besser mit dem Pippi-Langstrumpf- Blick. Dieser Blick ist furchtlos. Pippis Vater ist schließlich ein Seeräuberkapitän. Dieser Blick hat Fantasie -er kommt ja aus der Villa Kunterbunt. Und dieser Blick hat immer auch andere mit im Blick, zuerst Herrn Nilson, ihr Äffchen, dann die anderen Kinder und irgendwann auch uns Erwachsene und die ganze Welt. Ihr Blick reicht vom ganz Kleinen bis ins ganz Große.

"Wenn ihr nicht werdet wie die Kinder ..." Es scheint fast, als hätte Jesus die fröhliche Kinderbande aus Astrid Lindgrens Büchern als Vorbilder für uns im Blick gehabt. Jesu spricht sich vehement gegen eine rein äußerliche Gesetzes-Frömmelei aus. Er fordert, dass sich die Gottesliebe auch in der Liebe zum Nächsten zeigt. Dabei kann sie den Blick nicht von dieser Welt abwenden -ganz im Gegenteil.

Wer etwas an unserer Welt verändern will, sollte genauso auf die kleinen Dinge achten wie auf die großen Zusammenhänge. Wir dürfen mit offenen, staunenden und ehrlichen Kinderaugen in die Weltgeschichte gucken, dort wo es nötig ist, den Mund aufmachen und etwas tun. Das ist im besten Sinne "fromm und gottgefällig". Anleitungen zum Mutigsein, Rezepte gegen verwelkte Zungen finden sich nicht nur bei den Kirchenvätern, sondern auch in Astrid Lindgrens "frommen Büchern".

Guido Erbrich, Bautzen

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 47 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Donnerstag, 22.11.2007

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