Gottverbunden mitten in Leipzig
Im Gespräch mit Ordensleuten -Teil 2: Im Spannungsfeld zwischen Arbeit und Spiritualität

Schwester Susanne Schneider im Gespräch mit Jugendlichen in der Kontaktstelle
Leipzig (dw). Ora et labora -schon in der Regel des heiligen Benedikt ist die immer neue Herausforderung geistlichen Lebens formuliert: Die Balance zu finden zwischen Gebet und Aktion. Schwester Susanne Schneider MC versucht das in der Leipziger Gemeinschaft der Missionarinnen Christi.
"Die tägliche Messe tut mir gut", erzählt Susanne Schneider und räumt im gleichen Atemzug ein: "Die Lust darauf ist unterschiedlich." Vor acht Jahren hatte sich die Pastoralreferentin den Missionarinnen Christi angeschlossen, seit sechs Jahren gehört sie zur Leipziger Lebensgruppe dieser Gemeinschaft. "Ich wollte mein ganzes Leben durch die Beziehung zu Christus prägen lassen", sagt sie über ihren Beweggrund, Ordensfrau zu werden. Den vorgegebenen Rhythmus von Gebet und Arbeit empfindet sie dabei als Hilfe, um mit Gelassenheit und innerer Ruhe zu arbeiten und jeden Tag am Ball zu bleiben.
Zu dritt leben die Missionarinnen Christi im Stadtteil Leipzig- Grünau und gehen von dort aus verschiedenen Beschäftigungen nach. Den Tag beginnen sie gemeinsam in der Gebetsecke im Flur ihrer Wohnung: Die Schwestern sitzen auf Kissen oder Meditationsschemeln, in ihrer Mitte ein Kreuz, eine Kerze und eine aufgeschlagene Bibel. Ein Hymnus, eine halbe Stunde Stille und ein Teil der Laudes sind feste Bestandteile der Gebetszeit.
Nach dem Frühstück fährt Susanne Schneider zu ihrem Arbeitsplatz, der Kontaktstelle Orientierung im Leipziger Stadtzentrum. Hier sind die Aufgaben abwechslungsreich und unterschiedlich: Bildungsveranstaltungen, Begleitung spirituell Suchender, Taufunterricht, Gottesdienste, Fastenwoche, Glaubenskurse und nicht zuletzt die Begleitung und Schulung der über dreißig ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen. (siehe www.orientierung-leipzig.de )
Wenn es irgend geht, besucht sie um 18 Uhr die heilige Messe in der Propsteikirche. Die morgendliche Gebetszeit und die heilige Messe sind für Schwester Susanne Ruhepunkte, Augenblicke, in denen sie über den Sinn all ihrer Aktivitäten reflektiert und ihren Alltag mit Gott in Verbindung bringt: "Manchmal erzähle ich Gott einfach, was ich so mache", beschreibt sie. Das tut sie sehr bewusst, obwohl sie davon überzeugt ist, dass Gott bereits Bescheid weiß über ihre Erlebnisse, ihre Pläne, Ideen und Beziehungen zu Menschen. "Wenn ich ihm all dies hinhalte, in der Stille, in den Psalmenworten, aber vor allem auch im freien Gebet, gibt mir das Kraft. Ich habe den Eindruck, dass sich manches wandelt und neu ordnet."
Ihr gefällt ein Satz, der dem heiligen Franz von Sales zugeschrieben wird: "Für die, die wenig Stress haben, reicht eine halbe Stunde Gebet am Tag, wer viel Stress hat, muss eine Stunde beten". Das Gebet hilft ihr, Prioritäten zu setzen. Bei einer Auszeit mit 30-tägigen Exerzitien, die sie sich im Sommer in Vorbereitung auf ihre ewigen Versprechen genommen hat, ist ihr das besonders deutlich geworden.
Mit zunehmendem Alter werde sie auch im Blick auf ihr geistliches Leben realistischer und nicht mehr so leistungsorientiert, hat Susanne Schneider an sich selbst beobachtet. Beispielsweise habe sie den Anspruch aufgegeben, in der Messe alles mitbekommen zu müssen. "Irgendetwas nehme ich immer mit in den Alltag und ich bin zufrieden damit: ein Lied, ein Wort, ein Stück aus dem Evangelium ..."
Für die Ordensfrau ist ihr Beruf Berufung und sie sieht ihre Arbeit als Gottesdienst. Bei der Ordensgemeinschaft der Missionarinnen Christi hat sie nach längerer Suche eine Form gefunden, in der sie diese Berufung leben kann. Die Gemeinschaft, die sich dazu gesandt fühlt, zu den Menschen zu gehen und ihr Leben zu teilen, hat im Vergleich zu anderen Orden sehr flexible Strukturen. Zum Beispiel gibt es keine Verpflichtung zum Stundengebet und eine große Offenheit für unterschiedliche Gebetsformen. Der Tagesrhythmus richtet sich nach den Erfordernissen der jeweiligen Lebensgruppe. So gibt es in manchen anderen Gruppen eine weitere Gebetszeit am Abend.
Susanne Schneider möchte das gemeinsame Gebet nicht missen: "Es stärkt die Solidarität, das Gemeinschaftsgefühl und unsere individuelle Gottesbeziehung." Dass die Schwestern das Gebet im wöchentlichen Wechsel vorbereiten und sie dort nichts leisten muss, sondern einfach nur da sein kann, empfindet sie als wohltuend. So hat sie schon oft die Erfahrung gemacht, dass das Gebet die Arbeit beflügelt und die Arbeit wiederum dem Gebet Grundlage und Bodenhaftung verleiht.
Schwester Susanne Schneider im Gespräch mit Jugendlichen in der Kontaktstelle Orientierung.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 07.12.2007