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Aus der Region

Gottesminne gegen das Unheil

Mechthild-Kennerin Hildegund Keul sprach bei Vorlesungsreihe zu Mechthild von Magdeburg

Mechthild-Expertin Hildegund Keul (links) mit Vortragsteilnehmerinnen in Halle

Halle (ep). Mechthild von Magdeburg (1207-1282/94) und die Mystik des Mittelalters stehen derzeit im Mittelpunkt einer Vorlesungsreihe in Halle und Magdeburg. In der vergangenen Woche sprach Mechthild- Expertin Hildegund Keul über die große Begine, Poetin und Mystikerin.

Mechthild von Magdeburg hat vermutlich nicht zuletzt durch das Beispiel Elisabeths von Thüringen den bewusst einfachen Lebensstil der Begine gewählt. Dies machte Privatdozentin Hildegund Keul bei ihrem Vortrag am 27. November in Magdeburg und am Tag darauf in Halle deutlich. Als Mechthild in ihrer Jugend aufgrund von besonderen Erfahrungen der Nähe Gottes vor der Frage steht, was sie mit ihrem Leben anfangen soll, ist Elisabeth "auf den Burgen des Landes in aller Munde". Denn wie sie sich als Fürstin für die Armen engagiert, "ist für viele Adlige unerhört", so Frau Keul, die die Arbeitstelle für Frauenseelsorge der Deutschen Bischofskonferenz leitet.



Mechthild ist auf einer Burg und damit in für damalige Verhältnisse gesicherten Umständen aufgewachsen: Genügend Lebensmittel, religiöse und allgemeine Bildung, Kulturgüter, Minnesang und Feste sind die Sonnenseite des Burglebens. Dieser Reichtum muss jedoch äußerst hart von Menschen in Leibeigenschaft erarbeitet werden. Diese haben nur wenig zu essen und oft kaum ein Dach über dem Kopf. Innerhalb des mittelalterlichen Ständedenkens wird dies als selbstverständlich angesehen. "Doch zu Mechthilds Zeit setzt ein Wandel ein", so Frau Keul. "Die Armutsbewegung meldet sich zu Wort. Im Namen des Evangeliums prangert sie die Missstände an, nennt die schreienden Ungerechtigkeiten beim Namen."

Es ist eine Zeit, in der die Städte an Bedeutung gewinnen und viele Menschen in die Stadt gehen, weil sie sich dort eine bessere Zukunft versprechen. Doch während etwa Kaufl eute durch die aufkommende Geldwirtschaft immer reicher werden, geraten viele einfache Menschen unter die Räder, "besonders Witwen und allein erziehende Frauen, Waisen und Elendsprostituierte, Kranke und Sterbende". Mechthild entdeckt "als Begine in Magdeburg die Armut als ihren Lebensort, an dem sich drängende Gottesfragen stellen und zu beantworten sind", sagt die Theologin Keul.

Neben ihrem praktischen Einsatz für die Armen versucht Mechthild auch mit ihren geistlichen Schriften Antwort zu geben. Sie verfasst ihre theologischen Texte, die schließlich im Buch "Das fließende Licht der Gottheit" zusammengefasst werden, in Niederdeutsch, nicht in Latein, und damit in einer Sprache, die die einfachen Menschen verstehen. Damit will sie dort von der Minne, also der Liebe Gottes erzählen, wo sich Menschen in Elend und Bedrohung durch den Tod von ihr geistlichen Beistand erhoffen, betont Dr. Keul. "Hat Gott sie verlassen in ihrem Ringen um Schuld, in ihrem Leiden am eigenen Versagen, in ihrer Hoffnung auf Erlösung?" fragen sich die Menschen. Mechthild geht es "mitten in der Bedrängnis des Todes um jenes Geheimnis des Lebens, das sich in dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus offenbart hat und daher der Konfrontation mit dem Tod gewachsen ist". "Die Minne Gottes ist die Verführerin zum Leben. ...Das Geheimnis des Lebens wird offenbar, wo Menschen der erstickenden Macht des Todes geduldig und beharrlich das Leben abringen."

Mechthild steht nicht nur den Elenden bei, sondern kritisiert die, die übermäßigen Besitz anhäufen und nicht leben, was sie sagen. In ihrem Buch schleudert sie ihnen "Kampfbegriffe der Armutsbewegung" entgegen, wenn sie sie der "Unkeuschheit, des Hochmuts und der Eitelkeit" bezichtigt. "Mechthilds Visionen von einem Leben, das aus der überwältigenden Kraft der Liebe lebt, wie sie es in ihrem Buch in starken und teilweise vor Erotik sprühenden Bildern beschreibt, will am Krankenbett und in der Seelsorge zu Wort kommen, aber auch in Kirche und Gesellschaft, die zunehmend von wirtschaftlichen Interessen geprägt sind", sagt Frau Keul. "Welche spirituellen Ressourcen können wir als Kirche heute zur Verfügung stellen, wenn alle fi - nanziellen und medizinischen Möglichkeiten versagen? Was können wir Menschen anbieten, nicht zu resignieren, sondern dem Leben Hoffnung abzugewinnen?"

Für Mechthild ist zudem die Erfahrung der Gottesferne, der Gottesfremde, wie sie es nennt, eine stete Chance, Gott neu kennenzulernen, weiß die Referentin. Für heutige Christen jedoch sei Gottesferne eher etwas, das es zu beklagen gilt. "Die Beginen waren so beliebt, weil sie den Menschen aus ihrer Gottesliebe Hoffnung anzubieten hatten. Können auch wir es nochmals lernen, solche Ressourcen zu entwickeln? Auch heute leben wir in einer Zeit des Umbruchs und es gilt zu fragen: Wie haben die Menschen vor gut 700 Jahren es geschafft, aus dem Glauen heraus Kraft zu schöpfen?"

Vergleiche auch: Tag des Herrn 42/2007 Seite 9; Tag des Herrn 45/2007 Seite 15; www.mechthild-von-magdeburg.de

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 07.12.2007

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