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Aus der Region

Zeugen alter Volksfrömmigkeit

Norddeutsches Sammler-Ehepaar zeigt im Meißener Stadtmuseum böhmische Krippenberge

Friederike und Karl Heinz Klebe beim Aufbau eines großen Krippenberges

Meißen (dw). Erstmals zeigt das Stadtmuseum Meißen in seiner Sonderausstellung zur Advents- und Weihnachtszeit Krippenberge. In der Tschechischen und Slowakischen Republik war die alte Tradition der Krippen- oder Weihnachtsberge jahrzehntelang nahezu in Vergessenheit geraten.

"Viele ahnten gar nicht, dass sie da etwas kulturell Bedeutsames von ihrem Dachboden geholt hatten", erinnert sich Karl Heinz Klebe aus Lilienthal bei Bremen. In den 90er Jahren hatte er gemeinsam mit seiner Frau Friederike begonnen, Krippenberge zu sammeln. Anfangs reisten die Klebes durch das Erzgebirge. Als sie erfuhren, dass die Ursprünge der dortigen Krippenberge in Böhmen liegen, machten sie sich in alten böhmischen Schnitzerzentren zwischen Adler- und Riesengebirge auf die Suche. Manches schöne Stück fanden sie für verhältnismäßig wenig Geld auf dem Trödelmarkt.

Mit den herkömmlichen Krippen haben Krippenberge gemeinsam, dass in ihnen die Weihnachtsgeschichte geschildert wird, wie sie bei den Evangelisten Lukas und Matthäus zu lesen ist: Die Geburt in Betlehem und die Anbetung der Hirten aus dem Lukasevangelium, die Anbetung durch die drei Weisen und die Flucht nach Ägypten aus dem Matthäustext. Dabei werden die Erzählstoffe beider Evangelien gestalterisch miteinander verflochten.

Krippenberge bieten jedoch weitaus umfangreichere Szenarien. So kann es sein, dass die Krippe von der Stadtlandschaft Betlehems umgeben ist oder dass ein Stadtmodell Jerusalems die Szene der drei Weisen vor dem Palast des Herodes umrahmt. Ein weiteres Merkmal ist der große Figurenreichtum der Krippenberge.

Während sich einfache Krippendarstellungen auf die Heiligen Drei Könige beschränken, die dem Christkind ihre Geschenke Gold, Weihrauch und Myrrhe darbringen, finden sich auf den Krippenbergen Müller, Bauern, Gastwirte und Schornsteinfeger mit Mehl, Brot, Lämmern, Hühnern ja sogar Brennholz, Musikanten mit diversen Instrumenten, Jäger, Soldaten und Bergleute.

Die Stadtlandschaften der Krippenberge erinnern tatsächlich an Betlehem, jedoch ist dieses Betlem -tschechischer Begriff für Weihnachtskrippe -mit böhmischer oder historisch-fantasierender Architektur durchsetzt. Einer der Berge in der Sammlung des norddeutschen Rentnerehepaares scheint aus einer Anhäufung und Aneinanderreihung böhmischer Amtsgebäude, Kirchen und Palästen zu bestehen.

So verbindet sich in den Krippenbergen auf originelle Weise das Heilige Land mit Böhmen: Während die Hauptakteure wie die Heilige Familie und die Weisen aus dem Morgenland sehr wohl orientalische Kleidung tragen, sind die Hirten und das übrige Volk in die zeitgenössische Tracht gekleidet. Einheimische Musikanten mit mitteleuropäischen Instrumenten harmonieren mit den Spielern der Schofar, einem Blasinstrument, das im alten Israel nur an hohen jüdischen Feiertagen erklang. Weihnachts- oder Krippenberge gehören zu den bekanntesten Zeugnissen böhmischer Volkskunst. Zugleich künden sie ausdrucksstark von der einstigen Volksfrömmigkeit im Lande. Auch auf diesem Gebiet überraschte den norddeutschen Theologen Karl Heinz Klebe der massive Traditionsabbruch in Böhmen und auch in Sachsen. Dass mancher selbst mit Figuren wie Maria und Josef oder Adam und Eva nicht das Geringste verbinden kann, hätte er vorher nicht gedacht. In diesem Sinne versteht er die Ausstellung, die im vergangenen Jahr bereits im Altenburger Schloss zu sehen war, als eine Möglichkeit, die christlichen Wurzeln der Region wieder stärker ins Bewusstsein zu rufen.

In erster Linie interessieren ihn die Krippenberge jedoch aus kulturhistorischer Sicht. Religiöse Volkskunst hatte ihn schon immer fasziniert. Seine Frau und er schätzen dabei besonders das im positiven Sinne Primitive, auf das Wesentliche reduzierte der volkstümlichen Schnitzkunst. Dass beispielsweise in manchen ihrer Krippenberge alle Figuren den selben Gesichtsausdruck haben, weil der Schnitzer und der Maler offenbar nur diesen einen Ausdruck hinbekamen, macht diese Krippen für Friederike Klebe besonders liebenswert. Die Sammelleidenschaft machte sie zu Kennern geschnitzter Krippenfiguren. "In der Gegend von Grulich/Grahecki gibt es in jedem Dorf eine eigene Farbgebung der gepunkteten Schaf-Halsbänder", weiß Friederike Klebe. An den groben Löffelhänden kann sie Figuren aus Grulich von den erzgebirgischen Figuren mit den ausgearbeiteten Fingern unterscheiden.

Auch die Geschichte der Krippenberge ist ihr und ihrem Mann vertraut geworden. Ihre Sammlung besteht zum überwiegenden Teil aus Hauskrippen, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert in Heimarbeit gefertigt wurden. Die Verbreitung der Hauskrippen hatte ihren Ausgang in den Reformen des Habsburger Kaisers Joseph II. genommen. In seinem Bestreben, das gesamte Land neu zu ordnen, hatte er die Aufstellung von Krippen in Kirchen und Schulen verboten. Das Volk wollte sich die inzwischen beliebten Gegenstände frommer Andacht und Betrachtung nicht nehmen lassen und holte sich Krippen in die Wohnstube. Zum Teil wurden die Kunsthandwerker in Schnitzerschulen dafür ausgebildet, eine der bekanntesten liegt in Grulich /Grahecki an der Grenze zum Glatzer Bergland. Fahrende Händler zogen mit Kiepen herum und verkauften die Krippenfiguren in ganz Deutschland und sogar in Amerika. Im frühen 19. Jahrhundert war das Verbot bedeutungslos geworden und die Krippen kehrten in die Kirchen zurück. Aus dieser Zeit stammen verschiedene verglaste Kastenkrippen, die zu adventlichen und weihnachtlichen Heiligengedächtnistagen in kleinen Prozessionen mitgeführt werden konnten.

Mehr als 30 Exponate mit bis zu 400 Figuren hat das Ehepaar Klebe innerhalb von zehn Jahren zusammengetragen, ausgebessert, ergänzt und mittlerweile schon mehrere Ausstellungen damit gestaltet. Unter den Exponaten befinden sich großformatige und figurenreiche Panoramen, aber auch Kastenkrippen. Eine Vitrine aus dem Erzgebirge ist dabei. Ihr Inhalt zeigt die Beeinflussung durch die böhmischen Schnitzer. Bei jeder Ausstellung wird die eine oder andere Figur durch den Transport beschädigt. In Meißen fand Friederike Klebe die Hand eines Beduinen erst am zweiten Aufbautag unter einem Stoß Einwickelpapier wieder. "Das sind die kleinen Freuden eines Sammlers", schmunzelte sie.

In den letzten Jahren haben die Klebes nur noch wenige Krippenberge erworben. Seit drei, vier Jahren ist auch in Böhmen das Bewusstsein für die alte Tradition wieder erwacht. Es gab sogar schon Fachkongresse, die sich mit den Krippenbergen befassten, die ersten Fälschungen sind im Umlauf und auf Trödelmärkten findet man so gut wie keine Krippenberge mehr, die zuvor achtlos auf dem Dachboden einstaubten.

Hinweis

Weihnachtsausstellungen in Meißen

Die Weihnachtsausstellung im Stadtmuseum Meißen in der ehemaligen Franziskanerkirche St. Peter und Paul am Heinrichsplatz 3 ist bis 27. Januar täglich außer am Heiligen Abend sowie am Silvester- und Neujahrstag geöffnet. Während der Adventszeit sind die Öffnungszeiten von 11 bis 18 Uhr ansonsten von 11 bis 17 Uhr. Führungen sind nach Anmeldung möglich; Telefon 0 35 21/45 88 57. An den Adventssonntagen findet um 15 Uhr ein Konzert in der Ausstellung statt. In der Außenstelle des Museums, dem Torhaus-Museum, Dom-Platz 14 wird bis zum 30. Dezember die Ausstellung "So viel Heimlichkeit" mit weihnachtlichen Exponaten von Meißner Dachböden gezeigt.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 49 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 07.12.2007

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