Um Irrtümer möglichst auszuschließen
Wunder spielen bei Selig- und Heiligsprechungen eine wichtige Rolle
129 Wunder sind in den Akten zur Heiligsprechung der Elisabeth von Thüringen vermerkt. Die Landgräfin war eine der ersten, deren "Erhebung zu Ehren der Altäre" ein Prozess vorausging, dessen Grundzüge sich bis heute erhalten haben. Wunder spielen darin eine wichtige Rolle. Allerdings genügt heute für die Selig- beziehungsweise die Heiligsprechung in der Regel je ein Wunder.
Im Zusammenhang mit Selig- und Heiligsprechungen werden Wunder als eine "Bestätigung der Heiligkeit eines Menschen durch Gott" verstanden, erklärt die Erfurter Kirchenrechtlerin Myriam Wijlens, die einen der drei Vorträge im Begleitprogramm der Ausstellung "Wunder über Wunder" hielt. Wijlens war im Bistum Münster dreimal an den entsprechenden Verfahren beteiligt: für Schwester Maria Euthymia (1914-55), für Bischof Clemens August Graf von Galen (1878-1946) und für Anna Katharina Emmerick (1774-1824).
Wunder werden als Handeln Gottes auf die Fürbitte des entsprechenden Heiligen hin verstanden. Heiligkeit sei ein Auftrag an alle Jünger Christi, "aber nur bei wenigen gelingt das Leben so, dass die Kirche sie als Heilige feiert", sagt Wijlens und erklärt: Bevor die Kirche die entsprechende liturgische Verehrung eines Menschen zulasse, prüfe sie sehr genau, denn sie übernehme sozusagen die "Garantie, dass es sich bei ihm um einen Heiligen handelt."
Diese Prüfung erfolgt in einem klar geregelten Prozess, der im Laufe der Geschichte allerdings erhebliche Wandlungen erlebt hat. Schon in der frühen Kirche gab es Heilige. Ursprünglich waren das die Märtyrer, also Menschen, die ihren Glauben mit dem Tod bezeugten. Im Laufe der Zeit kamen dazu die sogenannten Bekenner. Wijlens: "Um ihre Heiligkeit feststellen zu können, genügte nicht mehr der Blick auf die Umstände ihres Todes. Vielmehr stand jetzt jede Stunde ihres Lebens zur Prüfung an." Lagen die Untersuchungen zunächst in den Händen des Ortsbischofs, kamen sie um die erste Jahrtausendwende in die Zuständigkeit des Papstes. 1171/72 wurde die Verehrung von Heiligen ohne dessen Zustimmung ausdrücklich verboten.
Zuletzt wurden Selig- und Heiligsprechung 1983 neu geregelt. Auch in diesen Regelungen wurde an der Notwendigkeit von jeweils einem Wunder für die Selig- und Heiligsprechung festgehalten. Wijlens: "Es geht dabei um ein möglichst irrtumsfreies Urteil." Allerdings kann der Papst von einem Wunder dispensieren.
In der Praxis handelt es sich bei den Wundern meist um medizinisch nicht erklärbare Heilungen. Die entsprechenden Untersuchungen finden -zusammen mit der übrigen Beweisaufnahme -zunächst auf Bistumsebene statt. Deren Ergebnisse werden nach Rom weitergeleitet, wo eine nochmalige Untersuchung erfolgt. Aufgrund eines entstprechenden Vorschlags der zuständigen vatikanischen Kongregation stimmt dann der Papst einer Selig- beziehungsweise Heiligsprechung zu. Johannes Paul II. hat das sehr häufig getan: Für 1339 neue Selige und 482 Heilige hat er die liturgische Verehrung gestattet. Das sind mehr als in der ganzen Kirchengeschichte vor ihm.
Hinweise
Ausgangspunkt der Erfurter Ausstellung "Wunder über Wunder" ist das legendäre Rosenwunder der heiligen Elisabeth. Dieses wird im deutschsprachigen Raum allerdings erst über 200 Jahre nach ihrem Tod mit Elisabeth in Verbindung gebracht. Heute ist es dennoch -auch aufgrund zahlreicher künstlerischer Darstellungen -das populärste Wunder der Thüringer Landgräfin. Die Ausstellung spannt den Bogen vom Rosenwunder über Votivbilder, Reliquiare und wundertätige Ikonen der verschiedenen Jahrhunderte bis hin zu Werken von Gegenwartskünstlern, die sich mit dem Wunderglauben auseinandersetzen. Die Ausstellung ist noch bis 13. Januar geöffnet. Öffnungszeiten dienstags bis sonntags 11 bis 18 Uhr, donnerstags bis 22 Uhr.
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 14.12.2007