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Anstoß

Keine Lust auf Weihnachten?

Oder: Wenn Maria Nein gesagt hätte

Guido Erbrich

Manchmal ertappe ich mich bei dem Gedanken: Bei wie viele Frauen ist der Verkündigungsengel eigentlich schon gewesen, bevor er zu Maria kam?

In der Bibel steht von erfolglosen Versuchen des Engels nichts geschrieben. Da steht nur die Geschichte mit Maria. Zu ihr kommt der Engel und sagt, dass sie ein Kind bekommen wird. Maria fragt kurz nach. Dann stimmt sie zu und die weitere Geschichte feiern wir Weihnachten. Das Happy- End sozusagen. Das Kind wird in Betlehem geboren und die Engel singen Gloria.

In meinen Gedanken stelle ich mir einen Engel vor, der auch mal frustriert ist. Einen Engel, der nicht so schnell erfolgreich ist. Einen Engel, der zu einer Frau kommt, die ihm sagt: "Pass auf, das ist ja gut und schön, aber mir geht das jetzt ein bisschen zu schnell."

Gott, von dem ich glaube, dass er ein Gott der Freiheit ist, wird so eine Antwort doch einkalkuliert haben. Sein Angebot an uns Menschen fordert unsere freie Entscheidung, da muss auch das Nein seinen Platz haben.

Und, da er uns kennt, wird er wissen: Wir Menschen sagen sehr selten vorbehaltlos "Ja und Amen". Egal, wer fragt. Der mächtige Gott ist auch ein ohnmächtiger Gott. Er ist in seiner ganzen Großartigkeit davon abhängig, dass ein Mensch Ja zu ihm sagt. Trotzdem: Er wird es nicht erzwingen. Weil er es auch nicht nötig hat. Dieser Gott kann es sich leisten, als kleines Kind in einer Krippe zu liegen und sich ganz in die Arme einer Frau zu geben, die ihn annimmt.

Genauso frei bietet er sich uns an. Das Angebot das er macht, können wir ergreifen oder es bleiben lassen. So ein Gott nimmt uns Menschen ernst. Nicht als Schräubchen im Getriebe, sondern als freie Geschöpfe seiner Welt. Das unterscheidet ihn fundamental von vielen Herrschern und Chefs dieser Welt, die ein freies Nein auf "Teufel komm raus" nicht akzeptieren.

Maria wird das gespürt haben. Dieser Gott setzt auf sie. Bei allem Zweifel war ihr wahrscheinlich klar: Jetzt ist die Zeit "Ja und Amen" zu sagen. Der Engel hat neben der Verkündigung an Maria noch eine mindestens ebenso wichtige Botschaft für uns: Gott erwartet unser Ja - aber er erzwingt es nicht. Wir sind frei, nach seinen Spuren zu suchen,0 und ein Weg führt zur Krippe. Gottes Einladung, diesen Weg zu gehen, besteht immer, nicht nur in den Tagen der Advents- und Weihnachtszeit. Öffnen wir unsere Sinne, damit wir seine Stimme und die Botschaft seiner Boten hören - und sie nicht frustriert davonfliegen lassen.

Guido Erbrich, Bautzen

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 51 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 19.12.2007

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