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Bistum Erfurt

Elisabeth hat nicht resigniert -Sie bleibt eine Herausforderung

Gespräch mit Diözesancaritasdirektor Bruno Heller

Vorbild und Fürsprache der heiligen Elisabeth tragen die Caritas im Thüringer Land. Diözesan- caritasdirektor, Domkapitular Bruno Heller zieht im Gespräch mit der Kirchenzeitung eine Bilanz des Elisabeth- Jahres 2007, gibt Ausblicke auf die Zukunft und verrät, was die heilige Elisabeth für ihn ganz persönlich bedeutet:

Was kann die heilige Elisabeth den Menschen im beginnenden 21. Jahrhundert sagen?

Ich glaube, sie sagt: Mach die Augen auf, denke mitmenschlich, schau, wie es deinen Mitmenschen geht, und wo du spürst, hier muss geholfen werden, dann hilf. Hilf so, wie es dir möglich ist. Und überall dort, wo du es alleine nicht schaffst, tue dich mit anderen zusammen. Bilde gemeinsam mit ihnen Initiativen, um etwas zu bewirken. Es kann aber auch anders formuliert werden: Nehmt eure soziale Verantwortung in Staat, Gesellschaft und Kirche wahr. Feiert mich nicht nur, sondern versucht in eurer Zeit das Notwendende zu tun.

Das Elisabeth-Jahr ist Geschichte, haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Nach diesem wirklich wunderschönen Elisabeth-Jahr kann ich eigentlich nur sagen, dass sich die Erwartungen voll erfüllt haben. Im Bistum sind sich die Menschen in vielfältiger Weise begegnet, in den Gemeinden gab es tolle Initiativen und Aufbrüche. Wir haben erlebt, wie das Bistum Erfurt mit großem Wohlwollen füreinander enger zusammenrückte.

Wodurch wurde das Jahr besonders geprägt?

Caritas und Pastoral haben sich im Jubiläumsjahr in unserem Bistum gemeinsam stark gemacht. Dabei ging es nicht allein darum, die eigene Sicht deutlich zu machen. Vielmehr gelang es, dass wir einander wahrnehmen und aufeinander hören. Das ist ein großes Geschenk. Zugleich bin erstaunt über die große Resonanz, die wir in der Thüringer Öffentlichkeit erzielen konnten. Wir haben tolle Veranstaltungen erlebt, so den Pastoraltag, den Caritastag und natürlich die Bistumswallfahrt als großen Höhepunkt.

Wurde das Jahr aus Ihrer Sicht in der breiten Öffentlichkeit wahrgenommen?

Mit der Berichterstattung über die Wallfahrt und die zahlreichen anderen Aktivitäten waren wichtige Informationen über das soziale Engagement der Christen, was in der Gesellschaft anerkennend und sehr wohlwollend zur Kenntnis genommen wurde. Ein unvergessenes Beispiel dafür ist die großartige Caritasaktion am 15. Juni auf dem Erfurter Bahnhofsplatz, einer Aktion, die gemeinsam mit den Obdachlosen und sozial Schwachen der Stadt durchgeführt wurde. Die Botschaft diese Tages lautete "Mit Menschen in Not etwas gemeinsam machen". Die Hilfesuchenden sollten zugleich Akteure sei, und so diesen Tag mit gestalten. Das hat auf der Bühne und an den Ständen geklappt. Wer dabei war, der weiß um die gute Stimmung bei allen.

Die Elisabeth-Figur, die durch die Gemeinden zog, wird nun ihren Platz bei den Armen in Erfurt finden. Wie kam es dazu, welche Impulse können von diesem Zeichen ausgehen?

Im Januar wird Elisabeth ihren Platz im Foyer unseres Caritas- Tagestreffs mit der Suppenküche erhalten. Die Figur zeigt mit der Hand direkt auf die Eingangstür. Das ist ein sehr schönes Zeichen. Die Elisabeth-Figur, die im Jubiläumsjahr durch die Gemeinden und Sozialeinrichtungen pilgerte, steht an dieser markanten Stelle mitten unter den Armen unserer Stadt. Dieser Ort macht damit deutlich, dass Kirche und Caritas auch 800 Jahre später bei den Armen und Ausgestoßenen steht, dass sie die Schwachen nicht allein lässt. Elisabeth im Caritastreff kann für Menschen in Not zudem Stütze und Hilfe sein. Zugleich ist sie eine Mahnerin an uns alle.

Menschen, die den Caritastreff besuchen, leben am Rand der Gesellschaft. Was sollen sie hier erfahren?

Ich denke, die Leute sollen in unserer Arbeit dieses "Du gehörst dazu" aus den neu formulierten "Sieben Werke der Barmherzigkeit für Thüringen heute" spüren können. Da müssen wir 2008 weiter dranbleiben. Hier in Erfurt und an vielen anderen Orten Thüringens, wo es Einrichtungen der Caritas-Obdachlosenhilfe gibt. So in Weimar, Saalfeld, Mühlhausen, Leinefelde, Eisenach, Meiningen -also fast überall im Bistum.

Hat sich das Verhältnis verbandliche Caritas und Pfarrgemeinden verändert? Welche Gemeinsamkeiten sollten zukünftig gestärkt werden?

Caritas und Pastoral sind zwei Seiten einer Medaille. Ich glaube, diese Botschaft kam bei den Menschen an. Das Elisabeth-Jahr hat sehr geholfen, dass die Beziehungen sensibler und intensiver wurden, Vorurteile wurden abgebaut. Entscheidend ist, dass wir gemeinsam auf dem Weg sind. Jetzt sollten wir die drei Anregungen unseres Bischofs in den Mittelpunkt unserer gemeinsamen Arbeit stellen.

Der Bischof regte die Bildung von Caritasteams an. Was sind deren Aufgaben?

Caritas-Teams werden aus Hauptund Ehrenamtlichen in den Gemeinden bestehen. Die Teams sollen schauen, was in ihrer Region im karitativen Bereich getan werden kann. Hilfreich dabei ist die zweite Anregung des Bischofs, der die Gemeinden dazu einlädt, in Zusammenarbeit mit sozialen Trägern einen Sozialreport zu erstellen. Aus diesem soll die konkrete Situation vor Ort -im Dorf, in der Stadt, im Landkreis -deutlich werden. Und drittens sollten wir nach Wegen suchen, um mit unseren Kindergärten noch näher an die Gemeinden zu rücken. Die Kindergärten sollen Familienzentren werden, die sich mit ihren Angeboten am Bedarf der Gemeinden orientieren. Das Stichwort dafür ist die Vernetzung. Einer muss vom anderen profitieren: Alt und jung, alleinstehend und in Familie ...Vieles ist möglich, so beispielsweise ein Gesprächscafé aber auch Beratungsangebote von Sozialem bis hin zu Lebens- und Erziehungsfragen.

Gelten die Angebote der Familienzentren nur den Gemeinden?

Nein! Im Gespräch mit Nichtchristen können diese Familienzentren bedeutsam sein. Unsere Kindergärten sind doch gute Brücken zur Öffentlichkeit. Viele der Eltern gehören keiner Gemeinde an, nutzen aber sehr gerne das Angebot eines kirchlichen Kindergartens. Darin liegt eine gute Möglichkeit, das Evangelium in besonderer Weise in Verkündigung und sozialem Engagement sichtbar auf den Leuchter zu stellen. Auch hier geht es wieder um dieses "Du gehörst dazu!"

Beim Caritastag im Juni diesen Jahres wurde darauf hingewiesen, dass die verbandliche Caritas verstärkt die Seelsorge in ihre Arbeit mit einbeziehen soll. Gibt es schon konkrete Schritte?

Caritas bleibt glaubwürdig, wenn sie Caritas im Sinne des Evangeliums ist. Das Entscheidende ist, wie die konkrete soziale Hilfe gegeben wird, wie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Dienst verstehen und wie sie die Menschen sehen, die ihnen anvertraut sind. Entscheidend ist, dass sich unsere Mitarbeiter ins Herz schauen lassen, und die Menschen so neugierig sind zu erfahren, wo die Kraftquelle für den schweren und engagierten Dienst im sozialen Bereich liegt. Ich wünsche mir deshalb, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer stärker den Mut haben, von ihrem eigenen Glauben Zeugnis zu geben und Hoffnung stiftende Worte für die Menschen finden. Auch dabei sind wir immer wieder auf die heilige Elisabeth verwiesen, indem wir fragen, wo sie persönlich ihre Kraft für ihr Engagement den Armen gegenüber fand. Zu fragen nach ihrem tiefen Glaubensleben, ihrem Gebet, ihrer Liebe und Treue zu Gott. Von daher ist es gut, dass die verbandliche Caritas in der Verantwortung steht, den Glauben in Thüringen mit zu verkünden -in der hinwendenden Tat und dort, wo es angebracht ist, durch das Wort.

Mit dem Elisabeth-Jahr war der Wunsch verbunden, dass das Land Thüringen ein Stück weit sozialer werden soll. Die Probleme sind jedoch geblieben. Wie schätzen Sie die Situation ein, welche Möglichkeiten gibt es auf diesem Weg?

Ich bin eigentlich guter Hoffnung, weil die Menschen hier im Land, die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft im Elisabeth-Jahr ein wenig nachdenklicher geworden sind. Es gibt einfach einen wachsameren Blick auf die Nöte. Aber wir dürfen dabei nicht stehen bleiben. Es muss sich konkret zeigen, inwieweit sich Politik engagiert -beispielsweise mit Blick auf die Kinderarmut, sie sollte nicht nur beklagt, sondern verhindert werden. Ich weiß aber auch, dass ein einzelnes Bundesland vieles allein nicht ändern kann. In vielen Fragen ist die Gesamtgesellschaft angefragt und gefordert. Wir haben die Aufgabe, weiter an einem Bewusstseinswandel zu arbeiten, um die Menschen für die Nöte anderer sensibler zu machen. Die Caritas ist in diesem Zusammenhang ein Anwalt der sozial Schwachen.

Abschließend eine persönliche Frage: Welche Beziehung hat der Thüringer Diözesancartitasdirektor Bruno Heller zur heiligen Elisabeth?

Elisabeth ist mir von Kindheit an sehr vertraut. Ich kann mich noch gut an meinen ersten Besuch auf der Wartburg erinnern. Aber ihr 800. Geburtstag hat mir geholfen, sie tiefer kennenzulernen. An ihrem Leben entdeckte ich Facetten, die ich bisher so nicht wahrgenommen hatte. Hatte ich Elisabeth bisher als Heilige vor Augen, so ist sie mir im Jubiläumsjahr ganz intensiv als Schwester begegnet, die den Weg mit uns geht. Als Caritasdirektor für Thüringen erfahre ich durch ihr Vorbild Mut, Vertrauen und Bestätigung in meiner Arbeit. Elisabeth hat nicht resigniert, sie ist eine herausfordernde Heilige. Bis heute ist sie hier im Lande bei den Menschen präsent. Elisabeth braucht aber uns, um in der gelebten Nächstenliebe erfahrbar zu bleiben

Die Fragen stellte Holger Jakobi

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 51 des 57. Jahrgangs (im Jahr 2007).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Mittwoch, 19.12.2007

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