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Überzeugt, das Richtige getan zu haben

Evangelische Pfarrersfamilie konvertierte in Hainichen zum katholischen Glauben

 Die bisher evangelische Pfarrersfamilie Thiel trat zum katholischen Glauben über.Hainichen/Bockendorf (kre/ tdh) -"Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, endlich im richtigen Boot zu sitzen." Dies sind die Worte eines 34jährigen Mannes, der sechs Jahre lang die evangelische Gemeinde von Bockendorf bei Hainichen betreute. Im Oktober entschloss sich Stefan Thiel, gemeinsam mit seiner Ehefrau Karen und den Kindern Paul (neun Monate), Johannes (vier) und Maria (acht), zum katholischen Glauben überzuwechseln.

Am Fest der Bekehrung des heiligen Apostels Paulus fand in der katholischen Bruder-Konrad- Kirche in Hainichen der Konversions- Gottesdienst statt. Neben dem Gemeindepfarrer Norbert Jensch nahm auch Pfarrer Steffen Börner an der Zeremonie teil. Börner hatte selbst vor zehn Jahren das Amt eines evangelischen Pfarrers aufgegeben und ist heute Priester in erzgebirgischen Bärenstein. "Sowohl die katholischen als auch die evangelischen Christen können und sollten akzeptieren, dass Gott verschiedene Wege für uns bestimmt hat", forderte er in einer kurzen Rede zu einem guten Miteinander der beiden Konfessionen auf.

Auch Stefan und Karen Thiel wollen ihre Entscheidung keineswegs als Abwertung des evangelischen Glaubens verstanden wissen. In einem Gespräch schilderten sie ihre Beweggründe für den Wechsel in die Gemeinschaft der katholischen Kirche. "Dass ich katholisierende Tendenzen habe, hat schon am Anfang meines Dienstes unser Superintendent in meine Beurteilung geschrieben", weiß Stefan Thiel mit einem Lächeln zu berichten. Damals habe er jedoch keineswegs daran gedacht, einmal die Konfession zu wechseln: "Das ist erst über die Jahre hinweg in uns gewachsen." Immer wieder habe es Ereignisse gegeben, welche das Gefühl, eigentlich mehr katholisch als evangelisch zu sein, bestärkten. "Wir haben uns lange Zeit gefragt, was uns beim Betreten katholischer Kirchen so gefesselt hat", blickt Karen Thiel zurück. "Irgendwann wussten wir es. Es ist der Tabernakel." Es sei wichtig, dass Brot und Wein durch die Wandlung zum wahren Leib und Blut Christi werden und dies auch bleiben. "In der evangelischen Kirche hat das mehr symbolischen Charakter", bedauert Stefan Thiel. Neben den äußeren Zeichen sei auch die Marienverehrung und die Fürsprache der Heiligen schon lange wichtig für den Glauben der Familie Thiel gewesen.

Nur bedingt habe nach Angaben Stefan Thiels die Tatsache eine Rolle gespielt, dass " ... bei vielen Katholiken noch das Bewusstsein da ist, dass der Besuch der heiligen Messfeier zum Glauben mit dazu gehört. Aber es gibt auch evangelische Gemeinden, in denen ein großer Teil der Mitglieder regelmäßig zum Gottesdienst erscheint", erklärt der ehemalige Pfarrer.

"Der Entschluss, dass sich etwas ändern muss, stand bereits seit Ostern vergangenen Jahres fest. Irgendwie waren wir nicht mehr das Pfarrehepaar, das viele in uns gesehen haben oder sehen wollten", beschreibt Karen Thiel, gelernte Heilerziehungspflegerin, die damalige Situation. "Wir haben ein Doppelleben geführt, das uns immer mehr zerrieben hat. Tür auf und braver Protestant -Tür zu und ,stockkatholisch'. Ohne das Pfarramt meines Mannes wäre das sicher noch eine Weile so weitergegangen. Aber mit jedem Gottesdienst hatten wir das Gefühl, die Gemeinde zu belügen."

Doch trotz ihrer inneren Überzeugung, das Richtige zu tun, sei der Familie die endgültige Entscheidung sehr schwer gefallen. "Unsere evangelischen Freunde akzeptieren das. Aber trotzdem wird es einen Bruch geben. Wir werden nicht mehr gemeinsam mit ihnen das Abendmahl feiern. Das ist schon hart", schildert Thiel seine Gefühle. Auch die eigene Familie sei nun mit dem Thema Ökumene hautnah konfrontiert. "Mein Vater war ein bisschen von der Rolle, als wir von unserem Entschluss erzählten. Für meine Mutter war es aber von Anfang an kein Problem", erklärt Karen Thiel, die davon überzeugt ist, den richti- gen Schritt getan zu haben. "Wir sind uns sicher, dass wir durch unseren Wechsel zur katholischen Kirche nichts aufgeben, sondern unendlich viel dazu bekommen." Doch auch weiterhin solle die evangelische Kirche eine wichtige Rolle spielen. "Wir wollen mit unserem Wissen und unseren Erfahrungen versuchen, den Katholiken ein wenig zu erklären, wie die evangelischen Christen empfinden. Leider sind wir von der Einheit der Christen noch weiter entfernt, als viele von uns denken", fasst Stefan Thiel, der vorerst als Pfleger in einem katholischen Krankenhaus arbeiten wird, seine Überlegungen in Worte.

Stefan Thiel äußert zudem den Wunsch, dass die Seelsorge weiterhin sein Leben bestimmt. So kann der zuständige Ortsbischof in Rom beantragen, dass konvertierte evangelische Pfarrer mit Familie die Priesterweihe empfangen dürfen.

Nächster Schritt des Ehepaares Thiel ist das Sakrament der Firmung, die Bischof Joachim Reinelt am 16. Februar um 10 Uhr in der Kirche von Böhlen spenden wird

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 6 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 08.02.2002

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