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Etabliert in Brandenburgs Kulturlandschaft

Am 3. Mai beginnt der 11. Großräschener Orgelzyklus

Großräschen (ks / tdh) - "Großräschener Orgelkonzerte" - dieser Name, vor Jahren kreiert, stimmt eigentlich nicht mehr. "Internationale Großräschener Orgelkonzerte" müsste über der Reihe der Musikabende stehen. 1991 mit Organisten aus der Lausitzer Region begonnen, haben sich diese Konzerte mit internationaler Beteiligung einen festen Platz unter den Kulturfesten im Land Brandenburg erobert.

Großräschen, das ist eine Stadt mit knapp 12 000 Einwohnern, im Süden Brandenburgs, zwischen Spreewald und Senftenberger See gelegen. Sie hat nach dem Niedergang des Braunkohletagebaus mit den Konzerten einen neuen Anziehungspunkt gefunden. Den hat sich Rudolf Bönisch, der Initiator, zwar erträumt, aber vorauszusehen war das nicht, was da durch sein Engagement gewachsen ist. Geologe ist er, evangelischer Christ und seit seiner Studienzeit in Freiberg (Sachsen) Orgelmusikliebhaber aus Passion. Die Konzerte im Freiberger Dom mit seiner großen Silbermann-Orgel zogen Bönisch in ihren Bann.

In Großräschen singt die ganze Familie Bönisch im ökumenischen Kirchenchor, den es seit etwa 20 Jahren gibt. So ganz genau ist der Gründungstag nicht bekannt. In keiner der beiden Gemeinden, der evangelischen wie der katholischen, reichte die Sängerschar für einen eigenen Chor aus. Aus der Not wurde eine Tugend, der Chor gestaltet die Gottesdienste beider Gemeinden. Dass die Orgelkonzerte so eine ökumenische Sache sind, versteht sich von selbst. Bis 1997 war die evangelische Gemeinde Träger der Konzertreihe. Als die Renovierung ihrer Kirche anstand, blieb die Gemeinde zwar Veranstalter, aber die Konzerte finden seitdem in der katholischen Kirche St. Antonius statt. Deren Kirchenraum war 1978 nach Plänen des Dresdner Bildhauers Friedrich Press umgestaltet worden und ist seitdem für Orgelkonzerte geradezu prädestiniert.

Der fromme und in seinen Ausführungen eigenwillige und sehr rustikale Künstler Press hat die Orgel und den Spieltisch neben beziehungsweise hinter den Altar gestellt. Er folgte damit der Philosophie, dass die Musik und der Organist zum Gottesdienst dazu gehören und nicht in einem räumlich entfernten "Rückraum". Für die Orgelkonzerte hat das einen Vorteil: Der Zuhörer hört und sieht. Der Organist ist von den Zuhörern umringt. Zwangsläufig kommt es nach den Konzerten rund um den Spieltisch zu interessanten Gesprächen zwischen dem oder den Künstlern und den Zuhörern.

"Bei der Planung achte ich genau auf Parität zwischen Orgel-Solo-Konzerten und Konzerten im Zusammenspiel der Orgel mit anderen Soloinstrumenten", erkärt Rudolf Bönisch. Seine Urlaube im In- und Ausland sind immer auch Erkundungsfahrten in Sachen Orgelmusik. Vor längerer Zeit hörte er irgendwo ein Konzert in der Kombination Orgel / Violinie. Jetzt fand er mit dem Organisten der St.-Hedwigs-Kathedrale Berlin, Florian Wilkes einen Musiker, der sofort bereit war und im Juli Kai Franzke von der Deutschen Oper Berlin mitbringt. Dieser spielt eine Barockvioline "Baujahr 1760". Ohne Überheblichkeit sagt Bönisch: "Ich lade nur Künstler ein, die ich selbst gehört habe, oder die mir von Bekannten empfohlen wurden." Mit einigen verbindet ihn heute eine richtige Freundschaft. Über 60 Künstler waren in den vergangenen zehn Jahren schon zu Gast in Großräschen. Und eben nicht nur Organisten. Als Soloinstrumente waren schon Harfe, Trompete, Klavier, Cembalo, Alphörner und mehr zu hören.

Inzwischen ist ein Förderverein Träger der Orgelkonzerte. Für alle Konzerte ist der Eintritt frei. Eine Kollekte am Ende, Fördermitglieder, Spenden und eine Unterstützung der Kommune ermöglichten es bisher, die Kosten zu decken.

Rund um die Konzerte gibt es aber noch weiterreichende Aktivitäten. So organisiert Bönisch für die Künstler, die die "Osteuropäischen Orgelmusiktage" bestreiten - in diesem Jahr an drei Abenden zwischen dem 6. und 9. September - weitere Konzerte in Deutschland. Interessant an dieser zum sechsen Mal durchgeführten Reihe ist, dass Künstler aus Russland, Ungarn, Tschechien, Estland, Litauen oder Polen reizvolle Orgelliteratur mitbringen, die hier nahezu unbekannt ist.

"Den US-Amerikaner, Professor Christian Immo Schneider aus Ellensburg, habe ich in Wien gehört. Das war so faszinierend, den musste ich nach Großräschen bekommen, dabei leuchten seine Augen auf, und er hat es geschafft. Am 2. August ist Schneider mit "Angelsächsischer Orgelmusik aus fünf Jahrhunderten" in Großräschen zu hören. Auf die Frage an Bönisch, wie er so etwas denn finanziert, kommt als Antwort: "Viele Telefonate und Faxe gingen hin und her. Ich konnte ihm am Ende eine ganze Tournee durch Deutschland organisieren. So lohnt sich der Überflug."

Rudolf Bönisch tut etwas ganz oder gar nicht. Man könnte meinen, er sei besessen. Seine Freude findet er darin, dass die Konzerte von den Menschen der Region, aber auch von weiter her, angenommen werden. Im Anfangsjahr kamen 30 bis 50 Zuhörer. Im letzten Jahr war die Kirche mehrmals mit 300 Besuchern überfüllt.

Dass in Großräschen selbst die Orgelmusik eigene Interpreten hervorbringt, beweist die 15jährige Schülerin Katharina Fritsch, die an der Musikschule in Senftenberg das Orgelspiel erlernt und am Instrument der Großräschener Kirche fleißig übt. Ebenso der 25jährige, eben examinierte Jurist, Daniel Sobotta. Auch er lernte in Senftenberg das Orgelspiel und ist seit 1987 ehrenamtlicher Organist in Großräschen. Im Großräschener Orgelzyklus ist er immer wieder einmal vertreten. Während seines Auslandsstudiums in Glasgow / Schottland gewann er den Orgelwettbewerb der Universitätskirche und war für die Zeit seines Studienaufenthaltes Organist dieser Kirche.

Die Konzerte in Großräschen beginnen an jedem Donnerstag von Mai bis Oktober um 19.30 Uhr. Dazu kommen die Osteuropäischen Orgelmusiktage mit drei Konzerten Anfang September, drei Samstagskonzerte als "Sonderkonzerte im Preußenjahr" und - neu in diesem Jahr - zwei Abende mit Orgelmusik und Literatur in der mittelalterlichen Dorfkirche im Ortsteil Freienhufen.

Wer mehr über die Konzerte wissen will oder die Doppel-CD "Farben" mit den Konzerten des Jahres 2000 zur Unterstützung des Vereins zum Preis von 39 Mark erwerben will, wende sich an den Förderverein Großräschener Orgelkonzerte e.V., Breitscheidstr. 21, 01983 Großräschen; Tel / Fax (03 57 53) 1 47 69.

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 15 des 51. Jahrgangs (im Jahr 2001).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Sonntag, 15.04.2001

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