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Wenn der Bischof aufspielt und der Kaplan in die Bütt steigt

Wie sich Gemeinden und Seelsorger im Bistum Görlitz vom Faschingstreiben anstecken lassen und ließen

Görlitz (kh) -Luftschlangen, Lampions, Masken und Girlanden zieren zurzeit vom Tanzsaal bis zum Schaufenster fast alles, was irgendwie mit Karneval zu tun hat. Auch wenn es in der Kirche nicht gleich Konfetti regnet, ganz spurlos geht die fünfte Jahreszeit selbst an vielen Gotteshäusern nicht vorbei.

Der Görlitzer Kaplan Matthias Grzelka etwa wartet an diesem Faschingssonntag wieder mit einer Büttenpredigt auf, denn: "Da kann man mal was anbringen, was man sonst nicht so sagen kann, und die Leute ein bisschen auf die Schippe nehmen, ohne sie gleich zu verletzen."

Zum Beispiel nervt es Grzelka "tierisch", wenn Gläubige zu spät zum Gottesdienst kommen. "Irgendwann packt 's mich. Da sage ich dann auch ,Guten Morgen!' mitten in der Messe." Allerdings kenne er ja nicht den Grund, warum jemand erst zur ersten oder zweiten Lesung in die Kirche stolpere, räumt Grzelka ein. Vielleicht hatte derjenige ja einen langen Nachtdienst hinter sich.

Richtigen Ärger hat sich der humorvolle Geistliche mit den kleinen Seitenhieben in seinen Büttenpredigten noch nie eingehandelt: "Man muss es eben liebevoll sagen", meint er.

In Cottbus ist Pfarrer Udo Jäkel der Mann für die Faschingspredigten. Ihm geht es dabei in erster Linie darum, "den Menschen eine Freude zu machen". Voriges Jahr muss ihm das besonders gut gelungen sein, denn er regte mit seinen Reimen sogar einen Gottesdienstbesucher an, sich selbst als Dichter zu versuchen: Am Ende der Messe meldete sich ein junger Arzt aus der Gemeinde zu Wort und hängte "im selben Versmaß" ein paar Zeilen als Dankesrede an die Predigt dran. "Total genial", wie Pfarrer Jäkel fand.

Kaplan Roland Elsner wäre es am liebsten, wenn die Hoyerswerdaer am Faschingssonntag verkleidet in die Kirche kämen, ganz so, wie er es als Student in Münster erlebt hat. Aber weil er mit diesem Vorschlag in seiner neuen Gemeinde eher auf verhaltene Resonanz stieß, will er sich mit Schlagzeug- und Trompetenklängen zur Untermalung seiner Büttenpredigt begnügen. Der Text dazu klingt zum Beispiel so:

Die Kapläne, wird es sie noch in den nächsten Jahren geben? Werden wir sie klonen oder immer noch bei Gott mit einem Gebet abholen?

Wer weiß, wenn Kaplan Elsner die Hoyerswerdaer erst mal so richtig zum Lachen gebracht hat, vielleichtklappt 's dann ja im nächsten Jahr auch mit den Kostümen in den Kirchenbänken. Elsner jedenfalls hat die Entscheidung, ob er sich die Haare färben soll oder doch lieber eine Perücke aufsetzt, schon mal auf 2003 verschoben.

Einen waschechten Elferrat gibt es beispielsweise in der Pfarrei Lübben. Der ist zwar zah- lenmäßig etwas unterbesetzt, dafür aber durch und durch katholisch. Seine Aufgabe besteht darin, vom 11. November jeden Jahres an den Senioren- und den Gemeindefasching vorzubereiten. Bei letzterem ist außer Sketchen und einer Kostümprämierung übrigens auch eine Büttenrede des Lübbener Bürgermeisters zu erwarten. Alle Achtung! Als eigentliche Faschingshochburg im Bistum Görlitz darf aber wohl Wittichenau gelten mit seinen Kappenabenden, dem Weiberfasching und dem Rosenmontagsumzug. Gleich sechsmal wird Kaplan Peter Krahl in der Lausitzstadt am Faschingssonntag seine Büttenpredigt zum Besten geben, obendrein in zwei verschiedenen Sprachen: "Ich reime auf Sorbisch und biege die Verse dann so, dass sie auch auf Deutsch anhörbar sind." Dem Ergebnis jedenfalls ist die Übersetzung nicht mehr anzumerken, wie diese Auszüge belegen:

Jüngst kam Herr Mammon in neuer Gestalt und machte auch vor uns nicht Halt. Wie zu Erichs Zeiten konnt'ste vor den Banken sehen, dass vor 'nem Monat Leute wieder Schlange stehen. "Eurorisiert" war plötzlich jedermann und stellte sich brav hinten an. (...) Wir sehn uns als die Götter des Planeten, solang die Moneys nicht gehn flöten. Oh Gott, wir wärn so gerne Millionär, dann hätten wir vom All noch mehr. Dann könnt' ma dich total vergessen und von früh bis spät nur Kaviar essen.

Die Faschingsbegeisterung ist im Bistum Görlitz übrigens nicht nur eine Sache des katholischen Fußvolkes und der Kapläne. Auch die Kirchenleitung ist dem fröhlichen Treiben noch nie abgeneigt gewesen. So sorgten Bischof Müller, Altbischof Huhn und Prälat Birkner in den 80er Jahren mit Klavier, Geige und Kontrabass beim Ordinariatsfasching eigenhändig für Stimmung. Und die hält bis heute.

Helau!

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in Ausgabe 6 des 52. Jahrgangs (im Jahr 2002).
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 08.02.2002

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