Ihr seid ein Brief Christi
Das konkrete Zeugnis Einzelner und der Gemeinden soll für die Mitmenschen lesbar sein.
Im zweiten Brief an die Korinther setzt sich der heilige Paulus mit Gegnern auseinander, die ihn als Apostel und Prediger nicht ernst nehmen und gering von ihm denken. Sie werfen ihm vor, er sei kein geisterfüllter und geschulter Redner. Bei diesen Leuten handelt es sich wahrscheinlich um christliche Wanderprediger, die mit Empfehlungsschreiben durch das Land zogen. Paulus hat viele Argumente, mit denen er sich verteidigt, ja, er weist auf sein gefahrvolles und abenteuerliches Leben im Dienste Christi hin. Sein überraschendes und wirkungsvollstes Argument für die Echtheit und Tiefe seiner Christusverkündigung scheint mir dies: Die Korinthergemeinde selbst! Er schreibt: "Unser Empfehlungsschreiben seid ihr; es ist eingeschrieben in unser Herz, und alle Menschen können es lesen und verstehen. Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern -wie auf Tafeln -in Herzen von Fleisch" (2 Kor 3,2-3).
An die Stelle rationaler Argumente und packender Worte tritt hier das lebendige Zeugnis einzelner Gläubiger und einer christlichen Gemeinde. "Und alle Menschen können es lesen und verstehen." Und das ist auch heute noch so. Zeitgenossen, die als Gegner des Christentums und der Kirche auftreten, lassen sich in manchen Fällen von guten Gründen, geschichtlichen Darstellungen , von Fakten ein gutes Stück in ihrer negativen Haltung erschüttern. Oft steckt ja Unwissenheit und Vorurteil hinter ihrer Anti-Haltung. "Umwerfende" Gründe, die Kirche positiv zu sehen, sind aber lebende Heilige. Zu jeder Zeit gibt es Christen in der Kirche, die durch ihren bedingungslosen Einsatz für andere, ihre Nächstenliebe, den Geist Christi empfehlen. Es sind die offiziell erklärten oder noch nicht ausgesprochenen Seligen und Heiligen. Wer auf das Beispiel einer Mutter Teresa von Kalkutta hinweisen kann, hat das bessere Argument zur Hand. Noch besser, wer Menschen aus seiner und des Gesprächspartners Nähe vorstellen kann, die aus dem Geiste Christi leben, auch wenn sie keine Helden sind!
Die Schriftstellerin Christine Busta hat in ihrem Gedicht "Laienpredigt ohne Genehmigung" Empfehlungsschreiben und Brief Christi so dargestellt: "In der Kirche wird dir das Wort ausgelegt, / draußen bist du sein Fleisch geworden! und musst dich selber auslegen, / Tag für Tag. // Jenseits der Kirchentüren / beginnt das Wagnis ins Ungeborgne: / die Vogelfreiheit des eigenen Gewissens / zwischen dem Guten und dem Bösen, / die Freiheit, untröstlich zu werden / über das Elend der Welt! und dennoch niederzuknien, / um andere aufzurichten.
Pater Damian Meyer
Aufgenommen in die Online-Ausgabe: Freitag, 08.02.2002